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Engel Der Nacht

Engel Der Nacht

Titel: Engel Der Nacht
Autoren: Becca Fitzpatrick
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gesessen, das mir erzählt hat, sie hätte gerade erst heute Morgen eine Behandlung gegen Kopfläuse abgeschlossen.«
    »Mein neuer Partner«, sagte ich und zeigte in den Flur, auf Patchs Rücken. Er hatte einen aufreizend selbstbewussten Gang, wie man ihn normalerweise zusammen mit ausgewaschenen T-Shirts und einem Cowboyhut sieht. Patch trug
keins von beidem. Er war mehr der Typ für dunkle Levis, dunkles Henley-Shirt, dunkle Stiefel.
    »Der Sitzenbleiber? Schätze mal, er hat bei der ersten Runde nicht genug gelernt. Oder bei der zweiten.« Sie bedachte mich mit einem wissenden Seitenblick. »Aller guten Dinge sind drei.«
    »Ich finde ihn unheimlich. Er wusste, welche Musik ich höre. Ohne irgendwelche Tipps von meiner Seite hat er direkt gesagt: ›Barock‹.« Es misslang mir gründlich, seine tiefe Stimme nachzuahmen.
    »Gut geraten?«
    »Er wusste auch … andere Sachen.«
    »Zum Beispiel?«
    Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. Es war mir unangenehm, über die Dinge nachzudenken, die er gewusst hatte. »Zum Beispiel, wie er mir unter die Haut gehen kann«, sagte ich schließlich. »Ich werde Coach sagen, er muss uns wieder zusammensetzen.«
    »Geh nur. Ich könnte einen Aufhänger für meinen nächsten eZine-Artikel brauchen: ›Zehntklässlerin schlägt zurück‹. Oder besser noch: ›Schlag ins Gesicht der Sitzordnung‹. Hm. Gefällt mir.«
    Doch letztendlich war ich diejenige, die einen Schlag ins Gesicht bekam. Coach wies meine Bitte ab, die Sitzordnung noch einmal zu überdenken. Es sah ganz danach aus, als würde mir Patch erhalten bleiben.
    Zumindest fürs Erste.

ZWEI
    M om und ich wohnen in einem zugigen Farmhaus aus dem achtzehnten Jahrhundert außerhalb von Coldwater. Es ist das einzige Haus an der Hawthorne Lane, und die nächsten Nachbarn wohnen beinahe eine Meile entfernt. Manchmal frage ich mich, ob der ursprüngliche Erbauer des Hauses wusste, dass er unter allen zur Verfügung stehenden Plätzen ausgerechnet denjenigen ausgewählt hatte, der im Zentrum einer mysteriösen atmosphärischen Inversion liegt: Der gesamte Nebel, der sich an der Küste Maines bildet, wird aufgesaugt und auf unserem Grundstück wieder abgeladen. Im Moment lag das Haus in eine dichte Dunkelheit gehüllt, die durchdrungen schien von entflohenen und umherirrenden Geistern.
    Ich verbrachte den Abend, als wäre ich festgewachsen auf meinem Stuhl in der Küche, in Gesellschaft von Dorothea, unserer Haushälterin, und meiner Algebra-Hausaufgaben. Meine Mom arbeitet für das Auktionshaus Hugo Renaldi und organisiert überall an der gesamten Ostküste Immobilien- und Antiquitätenauktionen. Diese Woche war sie im Staat New York unterwegs. Ihr Job erforderte eine Menge Reisen, und sie bezahlte Dorothea zwar offiziell dafür, dass sie kochte und saubermachte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ihre Arbeitsplatzbeschreibung im Kleingedruckten auch beinhaltete, ein wachsames elterliches Auge auf mich zu haben.
    »Wie war’s in der Schule?«, fragte Dorothea mit ihrem
leichten deutschen Akzent. Sie stand am Waschbecken und versuchte, angebackene Lasagnereste von einer Auflaufform abzukratzen.
    »Ich habe einen neuen Biologie-Partner.«
    »Ist das gut oder schlecht?«
    »Vee war mein alter Partner.«
    »Hmpf.« Noch mehr kraftvolles Schrubben, das das Fleisch an Dorotheas Unterarm zum Schlackern brachte. »Schlecht also.«
    Ich seufzte zustimmend.
    »Erzähl mir von dem neuen Partner. Wie ist denn dieses Mädchen so?«
    »Er ist groß, dunkel und nervig.« Und schaurig verschlossen. Patchs Augen waren Schwarze Löcher, sie saugten alles in sich auf, um nichts davon wieder herauszugeben. Nicht, dass ich mehr über Patch hätte wissen wollen. Mir gefiel ja schon das nicht, was ich an der Oberfläche gesehen hatte, also bezweifelte ich stark, dass mir das, was tief in ihm lauerte, besser gefallen würde.
    Nur - das stimmte so nicht ganz. Was ich gesehen hatte, hatte mir sehr gefallen.
    Lange, flache Muskulatur an den Unterarmen, breite, aber entspannte Schultern, und ein Lächeln, das teils spielerisch, teils verführerisch war. In einer beunruhigenden Übereinkunft mit mir selbst versuchte ich die Tatsache zu ignorieren, dass das alles längst begonnen hatte, sich unwiderstehlich anzufühlen.
    Punkt neun Uhr machte Dorothea Feierabend und schloss auf dem Weg nach draußen die Haustür ab. Ich ließ die Lichter über der Haustür zwei Mal aufblinken, um ihr auf Wiedersehen zu sagen; sie mussten durch den Nebel gedrungen sein,
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