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Engel Der Nacht

Engel Der Nacht

Titel: Engel Der Nacht
Autoren: Becca Fitzpatrick
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hältst. Vorschnelles Urteilen ist deine drittgrößte Schwäche«, sagte er.
    »Und meine zweitgrößte?«, fragte ich. Allmählich wurde ich wütend. Wer war dieser Typ überhaupt? War das hier irgendeine Art ›Versteckte Kamera‹?
    »Du kannst kein Vertrauen aufbauen. Nein, das nehme ich zurück. Du kannst vertrauen - nur vertraust du den falschen Leuten.«
    »Und meine größte?«, wollte ich wissen.
    »Du hältst das Leben an der kurzen Leine.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Du hast Angst vor allem, was du nicht kontrollieren kannst.«
    Die kleinen Härchen in meinem Nacken richteten sich auf, und die Temperatur im Raum schien zu fallen. Normalerweise wäre ich direkt zu Coachs Tisch gegangen und hätte eine neue Sitzordnung verlangt. Aber ich wollte nicht, dass Patch glaubte, er könnte mich einschüchtern oder mir Angst einjagen. Ich hatte das unerklärliche Bedürfnis, mich zu verteidigen, und beschloss, keinen Schritt zurückzuweichen, bevor er nicht nachgegeben hatte.
    »Schläfst du nackt?«, fragte er.
    Mein Mund drohte aufzuklappen, aber ich behielt ihn unter Kontrolle. »Du bist wohl kaum der Mensch, dem ich das erzählen würde.«
    »Warst du mal beim Psychiater?«
    »Nein«, log ich. In Wahrheit ging ich regelmäßig zum Schulpsychologen, Dr. Hendrickson. Das war nicht freiwillig, und es war auch nichts, worüber ich gerne sprach.
    »Schon mal was Verbotenes gemacht?«
    »Nein.« Ab und zu mal die Geschwindigkeitsbegrenzung überschreiten, zählte bestimmt nicht. Nicht ihm gegenüber.
»Warum fragst du mich nicht mal was Normales? Zum Beispiel … welche Musik ich am liebsten höre?«
    »Ich werde dich nichts fragen, was ich auch erraten kann.«
    »Du weißt doch gar nicht, welche Musik ich höre.«
    »Barock. Bei dir geht es immer um Ordnung und Kontrolle. Ich wette, du spielst … Cello?« Er sagte das, als hätte er es einfach ins Blaue geraten.
    »Falsch.« Noch eine Lüge, aber diese sandte ein Frösteln über meine Haut. Wer war er wirklich? Wenn er wusste, dass ich Cello spielte, was wusste er dann noch alles über mich?
    »Was ist das?« Patch tippte mit seinem Stift gegen die Innenseite meines Handgelenks. Instinktiv wich ich zurück.
    »Ein Muttermal.«
    »Sieht aus wie eine Narbe. Denkst du manchmal an Selbstmord, Nora?« Sein Blick traf den meinen, und ich konnte spüren, wie er innerlich lachte. »Sind deine Eltern verheiratet oder geschieden?«
    »Ich lebe mit meiner Mom zusammen.«
    »Wo ist Dad?«
    »Mein Dad ist vor einem Jahr gestorben.«
    »Wie ist er gestorben?«
    Ich zuckte zusammen. »Er ist - ermordet worden. Das ist ein bisschen sehr persönlich, falls es dir nichts ausmacht.«
    Es entstand eine kleine Pause, und die Schärfe in Patchs Blick schien ein bisschen weicher zu werden. »Muss hart gewesen sein.« Es hörte sich an, als meinte er es sogar ernst.
    Als es klingelte, sprang Patch auf und machte sich sofort auf den Weg zur Tür.
    »Warte mal«, rief ich, doch er drehte sich nicht um. »Entschuldige mal!« Er war durch die Tür. »Patch! Ich hab noch gar nichts über dich.«
    Da wandte er sich um und kam wieder zu mir zurück. Er
ergriff meine Hand und kritzelte etwas hinein, bevor ich auch nur daran dachte, sie zurückzuziehen.
    Ich starrte auf die sieben Ziffern aus roter Tinte in meiner Handfläche hinunter, dann ballte ich meine Hand zur Faust. Eigentlich sollte ich ihm sagen, dass sein Telefon heute Abend nicht mal im Traum klingeln würde. Ich wollte ihm sagen, dass das alles seine Schuld war, weil er die ganze Zeit aufgebraucht hatte, um mich auszufragen. Es gab eine Menge, das ich zu sagen hatte, aber ich stand einfach nur da, als wüsste ich nicht, wie man den Mund aufmacht.
    Schließlich sagte ich: »Ich habe heute Abend schon was vor.«
    »Ich auch.« Er grinste mich an und war weg.
    Während ich wie festgenagelt dastand, versuchte ich zu verarbeiten, was gerade passiert war. Hatte er absichtlich die ganze Zeit aufgebraucht, um mich auszufragen? Sodass ich keine Chance hatte, meinen Teil der Aufgabe zu machen? Glaubte er etwa, sein blödes Lächeln würde reichen, um alles wiedergutzumachen? Ja , dachte ich. Ja, das glaubte er.
    »Ich ruf nicht an!«, rief ich ihm hinterher. »Nie im Leben!«
    »Hast du deine Kolumne schon fertig für morgen?« Das war Vee. Sie kam zu mir und kritzelte etwas in ihr Notizbuch, das sie überall mit sich herumschleppte. »Vielleicht schreibe ich meine über die Ungerechtigkeit von Sitzordnungen. Ich habe neben einem Mädchen
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