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Engel Der Nacht

Engel Der Nacht

Titel: Engel Der Nacht
Autoren: Becca Fitzpatrick
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denn sie antwortete mit einem Hupen. Ich war allein.
    Kurz machte ich eine Bestandsaufnahme meiner Gefühle.
Ich hatte keinen Hunger. Ich war nicht müde. Ich war nicht einmal besonders einsam. Aber ich war ein bisschen unruhig wegen meiner Biologieaufgabe. Ich hatte Patch gesagt, ich würde nicht anrufen, und vor sechs Stunden hatte ich das auch so gemeint. Nur - jetzt konnte ich an nichts anderes mehr denken als daran, dass ich an der gestellten Aufgabe nicht scheitern wollte. Biologie war mein schlechtestes Fach, meine Note schwankte bedenklich zwischen A und B. In meiner Vorstellung bedeutete dies für meine Zukunft den Unterschied zwischen einem ganzen und einem halben Stipendium.
    Ich ging in die Küche und nahm das Telefon. Dann blickte ich auf das, was von den sieben Ziffern in meiner Handfläche noch übrig war. Insgeheim hoffte ich, dass Patch meinen Anruf nicht entgegennehmen würde. Wenn er nicht erreichbar war oder bei Hausaufgaben nicht mit mir zusammenarbeitete, dann war das ein Argument gegen ihn, das ich ins Feld führen konnte, um Coach davon zu überzeugen, den Sitzplan wieder rückgängig zu machen. Voller Hoffnung tippte ich seine Nummer ein.
    Patch ging beim dritten Klingeln dran. »Was gibt’s?«
    Sachlich sagte ich: »Ich rufe an, um rauszufinden, ob wir uns heute Abend vielleicht treffen können. Ich weiß, du hast gesagt, du hättest was vor, aber …«
    »Nora.« Patch sprach meinen Namen aus wie die Pointe eines Witzes. »Ich dachte, du würdest nicht anrufen. Nie im Leben.«
    Ich hasste mich dafür, dass ich mein Wort nicht gehalten hatte. Und ich hasste Patch dafür, dass er mir das noch mal so richtig unter die Nase rieb. Außerdem hasste ich Coach und seine bescheuerten Aufgaben. Ich machte den Mund auf, in der Hoffnung, dass irgendetwas Schlaues herauskäme. »Und? Können wir uns jetzt treffen oder nicht?«

    »Leider kann ich nicht.«
    »Kannst oder willst du nicht?«
    »Ich bin mitten in einem Billardspiel.« Das Lächeln in seiner Stimme war deutlich herauszuhören. »Einem wichtigen Billardspiel.«
    Im Hintergrund war Lärm zu hören, und ich glaubte, dass er die Wahrheit sagte - über das Billardspiel. Ob es wichtiger war als meine Aufgabe, stand auf einem anderen Blatt.
    »Wo bist du?«, fragte ich.
    »Bo’s Arcade. Kein Ort, an dem du normalerweise herumhängst.«
    »Dann lass uns das Interview doch am Telefon machen. Ich habe die Liste mit den Fragen gerade hier …«
    Er legte einfach auf.
    Ich starrte ungläubig das Telefon an, dann riss ich ein sauberes Blatt aus meinem Schreibblock. Ich schrieb ›Blödmann‹ in die erste Zeile. Darunter setzte ich: ›Raucht Zigarren. Will an Lungenkrebs sterben. Hoffentlich bald. Körperlich in exzellenter Form.‹
    Die letzte Beobachtung überkritzelte ich sofort wieder, bis sie nicht mehr lesbar war.
    Die Uhr an der Mikrowelle blinkte 21:05 Uhr. So wie es aussah, hatte ich zwei Möglichkeiten. Entweder, ich dachte mir mein Interview mit Patch aus, oder ich fuhr zu Bo’s Arcade. Die erste Möglichkeit mochte verführerisch sein, aber ich konnte Coachs Warnung nicht verdrängen, dass er alle Antworten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen würde. Ich wusste nicht genug über Patch, um mich durch ein ganzes Interview zu bluffen. Und die zweite Möglichkeit? Nicht im Entferntesten verführerisch.
    Ich verschob die Entscheidung und rief meine Mutter an. Es war Teil unserer Übereinkunft, während sie so viel arbeitete und unterwegs war, dass ich mich verantwortungsbewusst
verhielt und mich nicht wie die Sorte von Tochter benahm, die man ständig beaufsichtigen musste. Ich mochte meine Freiheit, und ich wollte meiner Mutter auf keinen Fall irgendeinen Anlass geben, zu kündigen und einen Job vor Ort anzunehmen, damit sie mich besser unter Kontrolle hatte.
    Beim vierten Klingeln sprang ihr Anrufbeantworter an.
    »Ich bin’s«, sagte ich. »Wollte mich nur mal melden. Ich muss noch eine Hausaufgabe für Bio fertig machen, dann geh ich ins Bett. Ruf mich morgen Mittag an, wenn du Lust hast. Mach’s gut.«
    Nachdem ich aufgelegt hatte, fand ich eine 25-Cent-Münze in der Küchenschublade. Komplizierte Entscheidungen sollte man am besten dem Schicksal überlassen.
    »Kopf - ich gehe«, sagte ich zu George Washingtons Profil. »Zahl - ich bleibe hier.« Ich schnippte die Münze hoch, klatschte sie auf meinen Handrücken und lugte vorsichtig darunter. Mein Herz krampfte sich kurz zusammen, und ich war nicht sicher, was das
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