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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi
Autoren: Xanthippe Verlag
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Geschichten wieder ausgraben, wir kennen sie ja beide. Aber eines musst du wissen: Maria hatte von Anfang an nicht die Chancen, die du hattest, das wirkt sich aus auf den Charakter.»
    «Ja, und was hat das jetzt mit dem Brief zu tun, den du geschrieben hast?», fragt Amalia.
    «Lass mich etwas ausholen», sagt Weva beschwichtigend. «Du wirst verstehen, weshalb.»
    Weva schluckt und hustet trocken.
    «Warte, ich muss ein Glas Wasser holen.»
    Sie steht auf und schöpft sich Wasser aus dem hellgelben Krug auf der Anrichte. Dann kehrt sie zum Tisch zurück und setzt sich wieder. Sie trinkt einen grossen Schluck Wasser und fährt fort.
    «Du warst ja nicht hier, als die Geschichte mit Louis passierte. Das hat sie damals total niedergeschlagen. Der Tod ihrer Mutter war ja schon mehr, als sie verarbeiten konnte.» Weva sieht Amalia direkt an. «Weisst du, dass Maria am liebsten mit ihrem Bruder Kaspar nach Amerika ausgewandert wäre?»
    «Ach ja, man hat einmal davon geredet, aber ich habe das nie so ernst genommen», sagt Amalia leichthin.
    «Doch, doch, das hast du nur nicht mitbekommen. Die Brüder, der Franz und der Xaver, die wollten nicht unbedingt weg, Kaspar als Ältester hätte sie einfach mitgenommen nach Amerika. Die wollten weg und mussten auch, was hätte es für sie hier gegeben? Auswandern, neues Glück. Aber Maria musste beim Vater bleiben, weil es eine Frau im Haus braucht. Damals hat sie lange geschwiegen, so ist sie, die Maria, wenn etwas ist, verbohrt sie sich still in ihre Arbeit.»
    Das kann man wohl sagen, denkt Amalia bei sich.
    «Nur hier oben, da war sie immer froh. Auch nach dem Tod der Mutter und selbst, als die Brüder gingen, gefiel es ihr hier. Hier konnte sie unbeschwerter leben.»
    Weva streicht sich mit der rechten Hand über die Finger der linken und inspiziert ihre Haut.
    «Du musst wissen, in dem Sommer, als Louis starb, vor fünf Jahren, und sie vom Fels fiel, da ist noch mehr passiert. Nicht nur der Unfall.»
    «Das war damals, als wir das Hotel bauten, und ich war mit der Eröffnung beschäftigt», erinnert sich Amalia. «Seither ist sie auf jeden Fall nicht mehr dieselbe wie vorher. Ich habe das immer dem Unfall zugeschrieben. Was war denn damals sonst noch?», drängt Amalia jetzt.
    Doch Weva holt noch etwas weiter aus: «Hm, du weißt, dass Maria und der Professor mit dem Apothekenkoffer bei den anderen Alphütten Mensch und Tiere pflegten. Dieser McGregor konnte zuerst kaum Deutsch. Maria hat es ihm beigebracht. Die Einheimischen sahen über manches hinweg, die Engländer brachten Geld. Die meisten schienen über endlos viele Geldmittel zu verfügen. Das liess die Augen leuchten, der Verdienst ging über alles. Endlich Bargeld! Hauptsache, die Herren waren zufrieden, liessen ihr Geld liegen und kamen wieder.»
    «Was hat das mit Maria zu tun?», Amalia spürt eine Unruhe in sich aufsteigen. Sie ist sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie das alles hören möchte.
    «Weisst du», fährt Weva fort, «in den Sommermonaten, da ist einiges gegangen hier oben in den Alphütten. Und im Dorf ist nicht jedes Kind vom Ehemann der Mutter.»
    Weva legt eine Pause ein und betrachtet ihre Nichte aufmerksam, als ob sie sehen möchte, was diese Neuigkeit bei ihr auslöst.
    Doch Amalia bemerkt nur: «Es wird auch viel geredet.»
    «Da hast du schon Recht», gibt Weva zu. «Und eigentlich ging es so lange gut, als es keine Unverheiratete traf. Man konnte das eine oder andere verstecken. Es war ja nichts dabei, wenn eine Sennerin im Herbst erwartete. Ihr Mann war doch auch oben gewesen, und es gibt hier viele, die sagen, wenn sie nur schon ihre Hose an der Bettstatt aufhängen würden, schlüge es ein.»
    Amalia ist diese Unterhaltung allmählich peinlich. Worauf will denn die Weva hinaus?
    «Aber was nicht ging», meint Weva ernst, «das waren die jungen Mädchen. Aber gell, die Engländer, die nahmen auch lieber ein saftiges Stück Frischfleisch als so ein älteres Gnagi. Die eine oder andere hat es dann halt erwischt.»
    Amalia beginnt zu verstehen: «Unser Bub?»
    Weva nickt stumm.
    «Von wem er ist, weiss ich nicht, aber seine Mutter, die Clementine, wollte ihn unbedingt behalten. Sie ist dann darob verrückt geworden, wie du weisst. Sie hat sich halt einem dieser Engländer an den Hals geworfen und gehofft, er werde sie heiraten.»
    Weva schüttelt mitleidig den Kopf.
    «Aber da sind sie alle gleich. Das hätte von denen keiner gemacht, nicht in tausend Jahren. So hat sie sich dann etwas
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