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Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi

Titel: Endstation Belalp - ein historischer Bergkrimi
Autoren: Xanthippe Verlag
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Vreni, wir tun dir nichts. Wir müssen dir nur ein paar kleine Fragen stellen. Einverstanden?»
    Vreni blickt ängstlich in die Runde. Ihr Gesicht mit den rosigen Wangen ist umrahmt von einem geflochtenen honiggelben Haarkranz. Alles adrett und gepflegt. Ihre grossen, staunenden Augen sehen zu Kamil auf, der sich abermals oben am Tisch hingesetzt hat, wichtig die Feder ins Fass taucht und jetzt sein Namevornamegeburtsort in amtlichem Ton herunterleiert.
    «Vreni. Weissenfluh. Grindelwald. Also fast, aber…»
    «Das reicht schon, Vreni, so genau muss es nicht sein. Alter?»
    «29.»
    «Wo warst du gestern Abend?»
    «Ich habe serviert, wie jeden Abend, dann abgeräumt und in der Küche abgewaschen. Um halb zehn bin ich auf mein Zimmer gegangen.»
    «So Vreneli. Jetzt erzähl uns doch mal, wie das war mit deinem Bruder.»
    Vrenis Gesicht beginnt sofort zu zucken, Mund, Nasenflügel und Augenlider sind in wilder Bewegung. Und als ob eine unsichtbare Hand das ganze Gesicht mit festem Griff packen und zusammenzerren würde, verzieht es sich zu einer eigenartigen Grimasse. Man weiss nicht, ob sie gleich loslachen oder doch eher losweinen wird. Letzteres ist der Fall. Tränen kugeln nur so aus ihren Augen, während sie vor sich hin stammelt:
    «Es, es. Mir. Ja. Der Hans. Er. Und dann … Wir wollten. Und wirklich. Er. Meine Mutter hat dann. Niemand», sie seufzt tief, schluchzt erbärmlich und stammelt weiter. «Der Professor hat den Hans, meinen Bru-Bruder, immer genommen, und als er starb, hat er, also mein Hans starb, hat der Professor gar nichts getan. Meine Mutter sagt auch. Dieser Lump. Und jeder im Dorf sagt das. Ist doch klar. Wie manches Mal hat ihn Hans geführt, und der Professor ist ihm sowieso schuldig. Aber nicht einmal der Grabstein. Ein schlechter Charakter, so was.»
    «Und Joachim Zenger, den kennst du doch auch?», Kamil fragt ungewöhnlich behutsam. Und er hat Recht, Vreni ist wie eine Reihe Dominosteine. Recht angetippt, fallen sie sogleich einer hinter dem anderen um. Keine Lügen. Die Lauterkeit in Person.
    «Zenger, der, natürlich, der ist noch schlimmer. Ein Mörder ist das! Den hasse ich. Hasse ihn wirklich. Er hat Hans auf dem Gewissen. Wenn er nicht mit ihm auf diese Tour wäre, wo der Hans doch gesagt hat, gehen wir nicht. Lieber morgen. Aber nein. Engländer können nicht warten. Immer alles durchstieren. Richtige Berner Gringe sind das», fast entschlüpft ihr bei aller Weinerlichkeit ein Lächeln.
    «Den Zenger würde ich eher als Österreicher …», meint Kamil.
    «Meinetwegen, Engländer, Österreicher, egal. Ein Pack, alle miteinander, nur an ihren Erfolgen interessiert.» Vreni zuckt wieder gewaltig, und Kamil schreitet knapp vor der nächsten Tränenflut ein: »Also, Vreni, der Zenger ist dir noch weniger lieb, wenn ich dich richtig verstehe?»
    «Dem könnte ich den Kopf umdrehen. Wenn ich ihm serviere, stelle ich mir immer vor, er sei ein Schwein, das ich füttere. Dann geht es.»
    Sir Butterworth geht das anscheinend etwas zu langsam.
    «Vreni, ich frage dich jetzt ganz direkt: Hast du mit dem ganzen Medikamentenschlamassel bei Professor McGregor etwas zu tun? Ja oder nein?»
    Jetzt verwirft Vreni die Hände und sagt heftig: »Himml Herrgott innhi 12 ! Verdammt soll meine Seele sein, wenn ich so etwas getan habe. Auf der Stelle will ich tot umfallen. Nie würde ich so etwas tun. Auch wenn ich beiden nichts Gutes wünsche. Vielleicht hat der Herrgott selber seine Hand im Spiel …», und Vreni reisst ihre Augen weit auf und starrt mit eisigem Blick zum Fenster hinaus, während sie mit ehrfürchtiger Stimme flüstert: «Vielleicht hat Er für Gerechtigkeit gesorgt.»
    «Vreni! Versündige dich nicht!», ruft Amalia.
    Doch Vreni sagt nichts mehr. Sie sitzt inzwischen ganz vorne auf der Stuhlkante, sprungbereit, und wartet auf ein Zeichen, dass sie gehen kann.
    Sir Butterworth und Amalia sehen sich an. Amalia zuckt mit den Schultern.
    «Danke, Vreni, das wäre alles. Geh zurück in die Küche, und red nicht so viel.» Amalia nickt ihr zu.
    Als Vreni gegangen ist, bleibt es zunächst eigenartig still. Niemand mag etwas sagen. Was soll man auch sagen? Der Fall ist zu verworren. Voller Fäden. Jeder eine Spur, keiner schafft Ordnung im Wirrwarr.
    Da kommt Doctor Feelgood herein.
    «Und?»
    Auch er zuckt mit den Schultern.
    «Es geht nicht mehr lange. – Und ihr? Habt ihr etwas?»
    Sir Butterworth ärgert sich: «Abgesehen von einer Konkurrenz um die Erstbesteigung des Matterhorns, einer
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