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Enders

Enders

Titel: Enders
Autoren: Lissa Price
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handtellergroßer Airscreen zeichnete meine Stimme auf. Ich konnte die Worte in Spiegelschrift auf dem Display sehen.
    »Alter?«
    »Sechzehn.«
    »Großeltern?«
    Ich schüttelte den Kopf und erklärte ihm, dass Lauren die gesetzliche Vormundschaft für mich übernommen hatte. Er notierte sich meine Adresse und Telefonnummer.
    »Was hatten Sie an diesem Ort zu suchen?«
    »Ich war mit meinem Bruder Tyler verabredet. Wir wollten Schuhe für ihn kaufen.«
    »Ist er hier?«
    Ich nickte. Er deutete auf das Airscreen-Display.
    »Bitte antworten Sie laut und deutlich.«
    »Ja, er wird gerade an dem Tisch dort drüben verhört.«
    Ich kratzte mich am Hinterkopf und ließ die Hand sinken, als mir bewusst wurde, was ich tat. Der Ermittler sah mich an. Hatte er etwas gemerkt? Ich schob die Hand unter meinen Oberschenkel.
    »Schildern Sie einfach, was Sie gesehen haben«, bat er.
    Ich holte tief Luft. Ich hatte mir meine Sätze in der Warteschlange zurechtgelegt. Aber würde ich das jetzt hinbekommen?
    »Ich sah ein junges Mädchen das Einkaufszentrum betreten.«
    »Beschreibung?«
    »Langes rotes Haar, etwa eins fünfundsechzig groß, sehr hübsch. Sie trug ein grün bedrucktes Kleid und Silberschuhe mit kleinen Absätzen.«
    »Und …?«
    »Sie benahm sich irgendwie komisch …«
    »Inwiefern?«
    Wage es nicht.
    Die Stimme versetzte mich in Alarmbereitschaft. Der Ermittler blickte von seinem Airscreen auf.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    Du weißt, welche Mittel mir zur Verfügung stehen, Callie. Hast du verstanden?
    Ich nickte.
    »Können Sie bitte fortfahren?«, fragte der Marshal.
    »Das Mädchen wirkte … nervös. Sie schaute sich um.«
    Seine Augen verengten sich. »Weiter.«
    »Als sie vor dem Schuhgeschäft stand, erfolgte plötzlich eine Explosion. Ich machte die Augen zu, schützte meinen Kopf mit den Armen. Und dann sah ich, dass sie tot war. Sie muss die Bombe … am Körper getragen haben.« Meine Stimme schwankte bei der Erinnerung an die schlimmen Bilder.
    Sein Ausdruck wurde sanfter. Mitfühlend. Am liebsten hätte ich ihm die Wahrheit gesagt. Aber das wagte ich nicht.
    »Das ist alles, was ich weiß«, bekräftigte ich.
    Er stellte mir noch ein paar Fragen. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Tyler aufstand. Michael nahm ihn in Empfang und führte ihn zum Ausgang des Einkaufszentrums.
    Bis sich der Ermittler endlich zufriedengab und ich die Mall entlangging, hatte mich der Old Man verlassen. Ich schätzte, dass er mit seinen Leuten Kontakt aufnehmen musste, zumindest mit der- oder demjenigen, der die arme Reece gesteuert hatte. Was immer der Grund sein mochte, ich war erleichtert über das Verschwinden der Stimme.
    Ich huschte wie ein Gespenst durch das Einkaufszentrum in Richtung Ausgang. Mir kam die Warnung von Helenas Neurotechnologen Redmond in den Sinn. Er hatte gesagt, dass der Chip in meinem Kopf wie eine Bombe explodieren könnte. Arme Reece. Warum tat der Old Man so etwas? Warum? Um uns zu zeigen, dass wir tatsächlich nur Prime vernichten konnten, aber nicht ihn? Oder einfach nur, um mich zu terrorisieren?
    Mein Magen verkrampfte sich. Wie ich diesen Chip hasste, dieses DING in meinem Kopf! Ich würde nicht zulassen, dass ich für den Rest meines Lebens tun musste, was dieser unheimliche Ender von mir forderte.
    Große Worte, aber zitternde Hände.
    Mir war schwindlig. Ich trat in eine Nische neben einem Liefereingang und atmete tief ein. Es gelang mir nicht, das Bild von Reece und ihrem Schuh aus meinen Gedanken zu verdrängen. Das rote Haar, das unter der Jacke hervorquoll, mit der sie der Wachtposten zugedeckt hatte. Hätte ich irgendetwas tun können, um sie zu retten? Ich presste die Arme fest an meinen Körper, um mich zu beruhigen.
    Dann warf ich einen Blick über die Schulter. Ich war inzwischen so weit vom Ort des Geschehens entfernt, dass sich niemand um mich kümmerte. Ich holte mein Handy aus der Tasche und rief Senator Bohn an. Es fiel mir schwer, ruhig und zusammenhängend zu sprechen.
    Der Senator gehörte zu den wenigen Leuten, denen ich vertraute. Und zwar deshalb, weil er mir geholfen hatte, Prime Destinations zu vernichten. Er gehörte außerdem zu den wenigen Leuten, die wussten, was dort vor sich gegangen war. Und er verfügte über die nötigen Verbindungen, um Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten. Ich schilderte ihm, was geschehen war. Er hatte bislang vergeblich versucht, den Aufenthaltsort des Old Man ausfindig zu machen. Ich erklärte ihm, dass die Explosion sein Werk
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