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Enders

Enders

Titel: Enders
Autoren: Lissa Price
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ich es in Erinnerung hatte. Aber das hier war nicht die gleiche Person wie damals. Das hier war der echte Blake, der Junge, dem sie eingeredet hatten, er sei schwer krank gewesen, der Junge, der nichts von der Body Bank wusste und dessen einziger Hinweis auf unsere frühere Bekanntschaft ein Handy-Foto von uns beiden war.
    Er streckte einen Arm aus und half mir auf die Tischplatte.
    »Schön, dass du gekommen bist«, sagte er.
    »Ich habe nicht viel Zeit. Ich warte auf eine Zing.«
    Er nickte.
    »Aber ich bin gekommen, weil ich dir etwas sagen muss«, fuhr ich fort.
    »Und ich wollte dir einige Fragen stellen. Du weißt alles über uns. Ich dagegen habe keinerlei Ahnung.«
    »Das ist jetzt nicht wichtig.«
    »Für mich ist es wichtig.« Er holte sein Handy hervor. »Diese Aufnahme …«
    Wir starrten das Foto an, das uns beide eng umschlungen und vor Glück strahlend zeigte. Das Foto, das eine Lüge war. Das Foto, das nicht Blake zeigte, sondern denjenigen, der von seinem Körper Besitz ergriffen hatte. Den Old Man.
    Der Anblick verursachte mir Frösteln.
    »Wie ist sie entstanden?«, fragte er. »Ich meine, was haben wir damals unternommen?«
    »Einen Reitausflug.«
    »Auf der Ranch meines Großvaters?«
    »Ja.« Ich hasste es, an jenen Tag zurückzudenken, der so trügerisch zauberhaft gewesen war.
    Er lächelte. »Sieht so aus, als hätten wir uns wunderbar verstanden.«
    »Genau so war es.«
    Unsere Blicke trafen sich. »Und sonst? Was haben wir … sonst noch gemacht?«
    »Wir besuchten das Musikcenter … ein Drive-in-Restaurant … genossen den Sonnenuntergang.«
    Ich ließ die Einzelheiten weg, die ich vor meinem inneren Auge sah. Wie wir Seite an Seite im Sattel saßen und die Pferde mit den Hufen scharrten, während die Sonne langsam hinter den Bergen versank. Wie er mir die gefleckte Orchidee überreichte, die erste Blume, die mir ein Junge je geschenkt hatte. Es waren Erinnerungen, die schmerzten. Nicht weil sie der Vergangenheit angehörten, sondern weil sie nie wirklich existiert hatten. Zumindest nicht mit ihm.
    »Nein, ich meine, war sonst … nichts zwischen uns?« Er spannte die Nackenmuskeln an, als sei ihm der Kragen zu eng.
    »Wir haben uns nur einen Kuss gegeben.«
    Damals war es mehr als »nur« ein Kuss für mich gewesen. Aber das musste er nicht unbedingt erfahren.
    »Schade, dass ich mich daran nicht erinnern kann.«
    »Ja, schade.«
    Er zögerte einen Moment, als überlegte er, ob meine Antwort ernst gemeint war. Dann beugte er sich vor, unsicher, abwägend.
    Ich neigte mich ihm entgegen, bis sich unsere Gesichter fast berührten. Er roch wunderbar nach Wald und frisch gemähtem Gras, genau wie damals.
    Wir küssten uns. Es war …
    … anders.
    Anfangs fühlte es sich richtig an. Seine weichen Lippen, der Duft seiner Haut. Aber der elektrisierende Funke, den ich beim ersten Mal gespürt hatte, sprang nicht über. Es gab ihn nur in meinen Erinnerungen. Ich versuchte es noch einmal. Vielleicht lag es ja an mir. Vielleicht war ich heute nicht einfühlsam genug. Vielleicht war ich nervös.
    Entspann dich. Lass los.
    Aber es ging nicht. Ich löste mich von ihm.
    Nein.
    Es war nicht wie damals.
    Blake löste sich ebenfalls. Sein Blick wanderte in die Ferne. Er stellte keine Fragen. Wir saßen nebeneinander, ohne uns zu berühren. Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Immer noch keine Nachricht.
    »Du hast es eilig, von hier wegzukommen, nicht wahr?«
    »Das nicht.« Ich legte das Handy weg. »Aber es geht um eine echt dringende Angelegenheit.«
    »Verstehe. Du wolltest mir etwas Wichtiges sagen?«
    »Ja. Du schwebst in großer Gefahr. Genau wie ich.«
    »Was?«
    »Du hast von dieser Bombendetonation im Einkaufszentrum gehört?«
    »Eine Bombe? Bisher war von einer Explosion unbekannter Ursache die Rede.«
    »Es war eine Bombe. Und ich hätte das Opfer sein können.«
    Er schüttelte den Kopf. Ich würde meine liebe Mühe haben, ihn zu überzeugen.
    »Ich gab deinem Großvater das Versprechen, dir nichts zu erzählen«, begann ich. »Er versuchte dich zu schützen. Aber nun musst du die Wahrheit erfahren. Erinnerst du dich noch an dieses Bürogebäude in Beverly Hills? Den Sitz von Prime Destinations? Wir begegneten uns dort, als es abgerissen wurde.«
    Er nickte.
    »Man hatte dich entführt und dorthin gebracht. In dein Gehirn wurde ein Chip implantiert, mit dessen Hilfe der Boss von Prime deinen Körper kontrollierte. Deshalb hast du keine Erinnerung an
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