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Enders

Enders

Titel: Enders
Autoren: Lissa Price
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musst nicht mitkommen«, sagte Lauren.
    »Ich kenne ihn besser als ihr«, widersprach ich. »Vielleicht gibt es irgendeinen Hinweis, einen Bezug auf etwas, das er mir gegenüber geäußert hat. Ihr braucht meine Augen und Ohren.«
    Ich hielt es für meine Pflicht, sie zu begleiten, obwohl sich alles in mir dagegen sträubte. Also stieg ich aus und ließ meine Blicke über den Gebäudekomplex schweifen. Institut 37. Die dicken grauen Mauern machten mir das Herz schwer. Sie verrieten, dass die Einrichtung in Wahrheit kein Waisenhaus, sondern ein Gefängnis war, mit schweren Eisentoren und einem Glaskäfig für die Sicherheitsleute, die den Eingang bewachten. Die Mauern verhöhnten mich, stemmten sich drohend gegen mich. Es war töricht von mir, hierher zurückzukommen. Das letzte Mal, als ich diesen Schritt gewagt hatte, hatte meine beste Freundin auf dieser grauen Außenmauer ihr Leben verloren.
    Lauren trat mit einem Lächeln neben mich. Liebenswerte kleine Fältchen umspielten ihre Augen. Ihr weißes Haar schimmerte in der Morgensonne wie ein Heiligenschein.
    »Es ist gut, Callie. Wir sind bei dir.«
    Der Fahrer blieb im Auto, während wir drei auf das Tor zugingen. Ich befand mich in Sicherheit, oder? Wir hatten Macht, und wir hatten Geld, weit mehr von beidem als die schrecklichen Leute, die dieses Waisenhaus verwalteten. Weit mehr als die bösartige Mrs. Beatty, meine frühere Gefängniswärterin.
    Warum also zitterten meine Hände?
    Lauren bemerkte es und legte mir sanft einen Arm um die Schultern.
    »Du wirst sie nicht zu Gesicht bekommen. Wir sprechen nur mit der Direktorin.«
    Ich nickte. Obwohl Mrs. Beatty durch meine schlimmsten Träume geisterte, konnte ich davon ausgehen, dass ich ihr nicht begegnen würde. Wahrscheinlich war sie drunten im Gefängnistrakt und quälte irgendeine arme Insassin, die sich ihren Hass zugezogen hatte.
    Die Tore schwangen knirschend auf, ein metallisches Geräusch, das mir Zahnschmerzen verursachte. Ich blickte an mir herunter und stellte fest, dass meine Hände nicht mehr zitterten.
    Kurz darauf befanden wir uns im Verwaltungsbau des Waisenhauses und warteten im Hauptbüro auf das Erscheinen der Direktorin. Der Stabschef und Lauren hatten in abgeschabten Ledersesseln Platz genommen. Ich ging auf und ab, weil ich zu nervös war, um mich hinzusetzen. Der Raum war grau und schmucklos. An der Wand hing ein verblichenes Bild, eine englische Jagdszene. Ein Mann hielt stolz einen erlegten Fuchs in die Höhe. Das passt, dachte ich. Über dem Schreibtisch flimmerte ein Airscreen. Der Bildschirmschoner war ein Screenshot von Huntdown, einem Egoshooter. Ich wusste besser als alle anderen, wie brutal es in diesem Institut zugehen konnte, aber das hier schockierte mich erneut.
    Übelkeit stieg in mir hoch. Ich wollte nur noch weg von hier. Alles, was wir brauchten, war eine Adresse, ein Telefonanschluss, vielleicht eine Kontonummer. Irgendeine Spur, die uns zum Old Man führte.
    »Callie? Willst du dich nicht setzen?«, fragte Lauren.
    Die Tür ging auf, und ich erstarrte. Anstelle der Waisenhaus-Leiterin stand Mrs. Beatty vor mir.
    »Callie«, sagte sie mit ihrer heiseren, harten Stimme. »Wie schön, dich wiederzusehen.«
    Sie streckte mir eine von knotigen Adern durchzogene Hand entgegen. Die Leberflecken in ihrem Gesicht erschienen größer als früher. Ich verschränkte die Arme. Wäre es mir möglich gewesen, den Hass in meinen Augen auflodern zu lassen, hätte sie jetzt lichterloh gebrannt.
    Der Stabschef erhob sich und trat neben mich. »Wir erwarten die Leiterin dieses Hauses.«
    Ein dünnes Lächeln umspielte Mrs. Beattys Lippen. »Natürlich. Ich weiß. Sie steht vor Ihnen.«
    »Sie?« Meine Stimme klang ungläubig.
    »Ich wurde zur rechten Zeit befördert.«
    Ich trat einen Schritt zurück. Offenbar stieß ich ein Keuchen aus, denn der Stabschef legte mir eine Hand auf die Schulter. Wie war so etwas möglich? Normalerweise hätte sie nach dem Tod von Sara hinter Gittern landen müssen.
    »Sie leiten jetzt dieses Institut?«
    »So scheint es, Callie.« Sie betonte meinen Namen, als schwebte ein Todesurteil über mir.
    Sie hatte ihre strenge graue Uniform und die Dienstmarke abgelegt. Stattdessen trug sie ein teures Wollkostüm und ein orangefarbenes Seidentuch.
    Ich hätte sie mit diesem Tuch am liebsten erwürgt.
    »Wir sind gekommen, um Ihnen einige Fragen über den CEO von Prime Destinations zu stellen«, erklärte der Stabschef.
    »Was ist mit ihm?«, machte Mrs. Beatty
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