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Enders

Enders

Titel: Enders
Autoren: Lissa Price
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aber es kam einem oft so vor. Hier jedoch kam ich an attraktiven Jugendlichen vorbei, die schimmernde Illusion-Tops und Jeans trugen, welche bei jeder Bewegung die Farbe oder Struktur wechselten. Sie waren wie exotische Vögel, selbst die Jungs mit ihren Airscreen-Brillen, bunten Schals und Sonnenkollektor-Hüten, die dazu dienten, alle möglichen Batterien aufzuladen, die man mit sich führte. Manche behielten ihre funkelnden, mit Edelmetall aufgepeppten Jacken an. Andere legten die teuren Stücke mithilfe von Instafold-Hüllen auf Handtaschengröße zusammen. Manche Leute behaupteten, diese Starters kämen nur so aufgestylt daher, um sich von Straßen-Kids abzuheben. Ich dagegen glaube eher, dass sie die anderen Starters gar nicht wahrnahmen, sondern in ihrer eigenen Modewelt lebten. Bei mir war es anders – ich besaß selbst einen Schrank voll solcher Fummel, hatte aber nicht vor, sie jemals wieder zu tragen.
    Das hier waren überwiegend Starters, die unter der Obhut von Angehörigen in den Villen der Reichen lebten. Ich konnte sie nicht immer von den minderjährigen Waisen unterscheiden, die sich wie ich einer Behandlung bei der Body Bank unterzogen hatten. »Metallos« hatte die Hausbesetzerin uns genannt. Die Starters, die hier durch das Einkaufszentrum flanierten, waren so anmutig, weil sie es sich leisten konnten. Sie konnten die besten Dermatologen, Zahnärzte und Coiffeure der Enders in Anspruch nehmen, dazu all die Cremes und sonstigen Kosmetika, die ihnen ihre Großeltern spendierten. Nichts hatte den Konsum aufhalten können.
    Nicht einmal die Sporenkriege.
    Ich rief mich zur Vernunft. Ich hatte nicht das Recht, so abfällig über sie zu urteilen. Auch sie hatten ihre Eltern verloren. Vielleicht waren ihre Großeltern zwar reich, aber in keinster Weise liebevoll, sondern kalt und abweisend, weil die Enkel sie täglich an ihre verstorbenen Söhne und Töchter erinnerten.
    Die Sporenkriege hatten uns doch alle verändert.
    Ich kratzte mich am Hinterkopf und ließ meine Blicke auf der Suche nach einem Schuhgeschäft umherschweifen. Eigentlich war ich mit Michael und Tyler auf der Restaurantebene verabredet, aber da mein Versuch, die Hungernden und Obdachlosen zu speisen, ein so rasches Ende gefunden hatte, war ich zu früh dran. Ich wandte mich dem Airscreen-Wegweiser in der Mitte der Mall zu.
    »Schuhe?« Ein unsichtbares Mikrofon nahm meine Frage auf.
    Das Display vergrößerte einen Laden auf der Karte und projizierte ihn in der Luft. Da es das einzige Geschäft mit Turnschuhen war, würde ich meinen Bruder vermutlich dort finden. Wie ich ihn kannte, probierte er gewissenhaft jedes einzelne Paar an. Ich musste Michael zu Hilfe kommen.
    Als ich in Richtung des Schuhgeschäfts losging, kam ich an einer Ender-Großmutter vorbei, die sich an ein hübsches junges Mädchen lehnte. Wahrscheinlich ihre Enkelin.
    Sieht gut aus, die Kleine.
    Ich blieb unvermittelt stehen.
    Diese künstliche elektronische Stimme, die mir durch und durch ging.
    Der Old Man.
    Hallo, Callie. Hattest du schon Sehnsucht nach mir?
    »Nein«, stieß ich aus. »Ganz im Gegenteil.« Ich bemühte mich um einen lässigen Tonfall. »Aus den Augen, aus dem Sinn – wortwörtlich.«
    Mir fiel ein, dass er durch meine Augen wahrnehmen konnte, was sich in meinem Umfeld abspielte. Ich verschränkte die Hände hinter dem Rücken, damit er nicht sah, dass sie zitterten.
    Callie. Ich weiß, dass du jeden Tag an mich gedacht hast. Jede Stunde. Jede Minute.
    »Es dreht sich alles um Sie, was?« Am liebsten hätte ich die Worte laut herausgeschrien, aber dann wären die Sicherheitsleute womöglich zu dem Schluss gelangt, ich sei verrückt.
    Ich warf einen Blick auf die Wachtposten. Wurden sie misstrauisch, weil ich Selbstgespräche führte? Kaum, denn es konnte ja sein, dass ich in ein Headset sprach. Oder war ihnen meine Nervosität aufgefallen? Nicht dass sie mir in irgendeiner Weise beistehen konnten, denn das alles spielte sich in meinem Kopf ab.
    »Was wollen Sie von mir?«
    Deine volle Aufmerksamkeit Ich bin sicher, dass du sie mir gleich freiwillig schenken wirst.
    Bei seinen Worten überlief mich ein Frösteln.
    Blicke nach links und sag mir, was du siehst.
    Widerwillig stieß ich Luft aus. »Geschäfte.«
    Weiter.
    Ich drehte den Kopf weiter nach links. »Süßwaren. Einen Juwelier. Einen geschlossenen Laden.«
    Das genügt mir nicht. Was noch?
    Ich trat ein paar Schritte vor. »Leute auf Einkaufstour. Enders, manche mit Enkelkindern. Ein paar
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