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Enders - Porträt eines Marshals: Die Bonus-Story (German Edition)

Enders - Porträt eines Marshals: Die Bonus-Story (German Edition)

Titel: Enders - Porträt eines Marshals: Die Bonus-Story (German Edition)
Autoren: Lissa Price
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Ohne Runzeln.
    »Sie können die Arme wieder senken. Bewegen Sie den linken Fuß. Und jetzt den rechten.«
    Ich bestehe sämtliche Tests. Er leuchtet mir mit einer Taschenlampe in die Augen, bittet mich, den Lichtstrahl mit den Blicken zu verfolgen, stellt mir eine Reihe von Fragen. Aber ich kann es kaum erwarten, mich in dem großen Spiegel zu betrachten, der an der Wand hängt.
    Die Schwester hilft mir aus dem Sessel. Bilde ich mir das nur ein, oder lächelt sie jetzt anders? Ein wenig … koketter?
    »Ich weiß genau, was Sie jetzt wollen«, sagt sie.
    Sie führt mich zum Spiegel hinüber. Meine Beine sind noch ein wenig wacklig, aber daran denke ich nicht, als ich den Spiegel erreiche. Das Bild, das sich mir bietet, lässt mich erstarren. Ich erblicke einen ansehnlichen jungen Starter, etwa siebzehn Jahre alt, mit welligem braunem Haar, gleichmäßigen Zügen und strahlend blauen Augen. Ich hatte mir sein Foto im Airscreen angesehen, aber die Wirklichkeit ist weit eindrucksvoller als die Aufnahme.
    »Das ist doch nicht möglich …« Ich starre mein Spiegelbild an.
    »Heben Sie den Arm«, sagt die Schwester.
    Ich führe die rechte Hand zu meinem Gesicht und tippe mein Kinn an. Der Junge im Spiegel macht genau das Gleiche.
    Ich lache, und er lacht ebenfalls.
    »Das ist so …« Ich ringe nach Worten.
    »Verblüffend? Wunderbar?«, versucht mir die Schwester zu helfen.
    »Bizarr«, sage ich und beobachte, wie sich im Spiegel die Lippen des Starters bewegen. »Und unheimlich.«
    * * *
    Ich verlasse Prime Destinations mit meinem neuen Körper. Die Koordination klappt mit jeder Minute besser. Ich schwinge locker die Arme und streife nur ein einziges Mal eine Mauer. Draußen, im hellen Licht von Beverly Hills, teste ich meine Stimme.
    »Hallo«, sage ich zu mir selbst. »Hallo.«
    Ich trage ein langärmeliges Hemd, neue schwarze Jeans und eine schicke schwarze Sportjacke, in der meine Brieftasche und die Autoschlüssel stecken. Ich klappe die Brieftasche auf. Der Führerschein enthält mein neues Foto und meinen neuen Namen. Trace Walsh – das ist mein richtiger Nachname und der Vorname meines Spenders.
    Ich hole meinen Wagen aus der City-Parkgarage. Selbst die Augen im Rückspiegel jagen mir immer wieder einen Schrecken ein.
    Ich verlasse Beverly Hills und fahre in Richtung Südosten. Vor einem Secondhandshop halte ich an. Ich finde genau das Richtige und ziehe mich gleich im Laden um: langärmeliges T-Shirt, Kapuzenpulli und gammelige Jeans mit durchgescheuerten Knien. Eine schäbige Handleuchte und eine Wasserflasche mit Schulterriemen vervollständigen mein Outfit. Wieder im Auto, hole ich meine Pistole aus dem Handschuhfach und schiebe sie in den Hosenbund. Mit meinem Schweizer Armeemesser schneide ich Schlitze in T-Shirt und Hoodie und franse die Hosenbeine aus.
    * * *
    Damit niemand Verdacht schöpft, parke ich den Wagen ein paar Straßenzüge von Indies Unterschlupf entfernt. Zu Fuß und ohne meine Uniform fühle ich mich beinahe nackt. Ich habe die Absicht, die Pistole so bald wie möglich loszuwerden. Das Risiko, dass sie bei einem Kampf entdeckt wird, ist einfach zu groß. Ich bewege mich mit langen Schritten. Der neue Körper fühlt sich gut an. Mein Knie schmerzt nicht mehr, und die Wirbelsäule federt so elastisch, als sei sie aus Gummi.
    Daran könnte ich mich gewöhnen.
    Als ich das Haus erreiche, in dem Indie zuletzt wohnte, versuche ich es erst einmal am Haupteingang. Das hier war mal ein Bürogebäude, drei Stockwerke, eine schwere Doppeltür im Erdgeschoss. Verschlossen. Ich gehe um die Ecke und finde einen Seiteneingang. Ein Klebestreifen ragt dort heraus, wo das Schloss sein müsste. Ich ziehe die Tür auf.
    Sie führt in einen Seitenkorridor. Ich schlendere bis ans Ende, als gehörte ich hierher, und stoße auf das Treppenhaus. Es stinkt wie die Pest, und ich nehme immer zwei Stufen auf einmal, um dem Geruch möglichst schnell zu entkommen. Im zweiten Stock bleibe ich stehen.
    Ich horche. Nichts rührt sich. Ich stehe in einem Großraumbüro vor einer Gruppe von Arbeitsnischen. Die Stühle sind verschwunden und die Schreibtische leer, aber die Trennwände haben sich erhalten. Eine ungute Atmosphäre, wie in einer Geisterstadt, vor allem, da ich weiß, dass hier Hausbesetzer leben. Ich gehe um die Kabinen herum, werfe einen Blick in die Einzelbüros, die sich dort befinden. Wenn ich ein Starter wäre, würde ich mich in einem dieser Räume verschanzen. Sie haben wenigstens Türen.
    Der erste
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