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Enders - Porträt eines Marshals: Die Bonus-Story (German Edition)

Enders - Porträt eines Marshals: Die Bonus-Story (German Edition)

Titel: Enders - Porträt eines Marshals: Die Bonus-Story (German Edition)
Autoren: Lissa Price
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Schwester nimmt mit sanfter Hand meinen Arm und führt mich zu dem Liegesessel. Ein Hauch von Parfum umgibt sie, süß und irgendwie blumig, aber nicht aufdringlich. Lavendel? Der Duft entspannt mich.
    »Machen Sie es sich bequem«, empfiehlt sie, als ich mich zurücklehne. Sie breitet ein seidenes Bettlaken und eine weiche Decke über mich. »Gut so?«
    »Fühle mich wie ein Baby.«
    Trax tritt neben mich. Er hält das Kabelbündel hoch. »Ich schließe Sie jetzt an dieses Gerät an. Das tut nicht weh. Sie werden es kaum spüren.«
    »Das Ding verbindet mich mit dem Computer?«, frage ich mit einem Anflug von Panik.
    »Genau«, erwidert er. »Auf diese Weise ersparen wir uns einen operativen Eingriff.«
    Er klebt die Plättchen an verschiedene Punkte im Kopf- und Nackenbereich.
    »Sie haben kurzes Haar«, meint er. »Das erleichtert die Befestigung.«
    »Und was bewirken diese Dinger?«, will ich wissen.
    »Das Hauptgerät erhält Funkbefehle vom Computer, die es an die einzelnen Plättchen weitergibt. Diese wiederum kommunizieren per Omicron-Wellen mit Teilen Ihres Gehirns.«
    »Ihre ganze Arbeit besteht darin, dass Sie die Augen schließen.« Die Schwester steht auf der anderen Seite des Liegesessels und rollt den Ärmel meines Morgenmantels hoch. Sie tätschelt besänftigend meinen Oberarm, aber ich merke, dass sie dabei eine Betäubungssalbe aufträgt.
    »Ich werde durch die Augen des Spenders sehen?«
    »Absolut korrekt«, bestätigt Trax. »Die Augen des Spenders nehmen Informationen auf, die der Computer an Ihr Gehirn weiterleitet. Sie werden Ihre Gedanken aussprechen – aber mit den Lippen Ihres Spenders.«
    Das klingt zu unglaublich. Aber ich bin weit genug gegangen, um zu überprüfen, ob es nicht doch wahr sein könnte.
    »Entspannen Sie sich ganz einfach.« Die Stimme der Schwester ist wie Honig.
    Sie lenkt mich fast von der Injektionspistole ab, die sie auf meinen Oberarm richtet. Ein blauer Lichtstrahl schießt aus der Mündung, ehe das Metall meine Haut berührt. Ich spüre tatsächlich kaum etwas.
    Ich versinke im Nichts. Alles, was bleibt, ist ein Hauch von Lavendel.
    * * *
    Ich träume, im vollen Bewusstsein, dass ich mich momentan in einem Traum befinde. Anfangs frage ich mich, ob die Bilder aus dem Gehirn oder dem Gedächtnis des Starters stammen, dessen Körper ich übernehmen soll. Ein Angstgefühl bricht über mich herein wie dichter Nebel. Ich jage dem Killer hinterher. Ich glaube, dass es ein Mann ist. Es könnte auch ein Starter oder eine Frau sein, aber wahrscheinlicher ist, dass es ein Mann ist, weil er Mantel und Hut trägt. Der Killer klettert über eine Feuertreppe auf ein Flachdach. Ich folge ihm. Ich vollbringe Leistungen, die ich mir niemals zugetraut hätte, hechte von Dach zu Dach, rolle mich ab, springe auf und laufe weiter. Der Abstand wird kleiner. Als er zum nächsten Sprung ansetzt, bekomme ich ihn am Knöchel zu fassen.
    Er kippt über die Kante. Nur mein fester Griff verhindert, dass er abstürzt. Er baumelt kopfüber in der Luft, und ich umklammere mit der freien Hand einen Mast, damit mich sein Gewicht nicht in die Tiefe zerrt. Der Hut fällt ihm vom Kopf und segelt zwei Stockwerke nach unten, doch da der Killer sein Gesicht mit einem Halstuch vermummt hat, kann ich immer noch nicht erkennen, wer er ist.
    Ich versuche ihn mit einer Hand hochzuziehen, aber er ist schwer. Ich stemme meine Füße gegen die Mauer. Ein kleiner Ruck, doch im gleichen Moment greift der Killer nach oben und streift seinen Schuh ab. Er fällt, mit flatterndem Mantel, der an gebrochene Flügel erinnert. Ich halte seinen Schuh in der Hand und begreife nicht, warum ich mich so leer fühle, als gäbe es ein weiteres Opfer zu beklagen.
    Ich schlage die Augen auf.
    Ich bin wach, befinde mich allerdings in einem anderen Raum. Er wirkt nüchtern wie ein Kranken- oder Untersuchungszimmer. Lavendelduft umgibt mich.
    Ich wende mich nach rechts und sehe die Krankenschwester näher kommen.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragt sie.
    »Nun, ehrlich gesagt … großartig.« Ich wiege den Kopf. Meine Stimme klingt verändert. Heller. Jünger.
    Sie kichert. »Keine Sorge, Sie werden sich daran gewöhnen.«
    Ich merke, dass sie jemanden ansieht, der links von mir steht. Ich drehe den Kopf und erblicke Trax.
    »Können Sie den linken Arm heben?«, fragt er.
    Ich komme seiner Aufforderung nach. Und merke, wie jung der Arm aussieht.
    »Und den rechten?«
    Ich hebe den rechten Arm. Ebenso jung. Die Hand vollkommen glatt.
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