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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story
Autoren: Miriam Muentefering
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mir. »Aber wenn sie beruhigt, kann sie sicher sein: Bei mir ist Platz! Auch für die Koloss da!« Sie deutet lächelnd auf Jojo.
    Könnte sein, dass ihre Stimme, verfremdet durch das Rauschen in einem Handy und durch die Distanz so klingen könnte wie Antonies Stimme. Ja, könnte sein.
    Könnte auch sein, dass eine Frau sich mächtig blamiert hat mit solch einer Verwechslung und der anschließenden Unterstellung von Betrug bis Untreue. Könnte sein, dass dieselbe Frau sich noch viel schlimmer zu blamieren droht, weil sie unangemeldet dort auftaucht, wo sie gerade am allerwenigsten zu sagen hat.
    Ich schweige also.
    Lu liest die Anzeigen.
    Kasper gähnt quietschend.
    »Ich gehe dann mal«, murmelt Gabriella und lächelt schüchtern.
    Ich finde, sie ist gar keine richtige Brasilianerin. Eine Brasilianerin muss Pfeffer im Hintern haben, sie muss laut und extrovertiert sein. Sie muss offen lachen und etwas Lebendiges, Lebensbejahendes versprühen. Sie muss eben so sein wie Lu.
    Wir verabschieden uns brav, und Lu bringt sie zur Tür.
    Ich stelle meine Ohren auf. Aber es ist nur ein leises Flüstern zu hören.
    »Ihr versteht euch wohl gut?«, frage ich, als Lu wieder neben mir Platz nimmt.
    »Ach, sie ist eine ganz Liebe«, sagt Lu. »Eigentlich zu lieb für diese Welt. Verstehst du, was ich meine?«
    »Vielleicht ist das so was Brasilianisches?«, vermute ich. »Ich finde, du lässt dich auch viel zu leicht ausnutzen.«
    »Oh, wirklich?« Lu macht große Augen. »Von wem?«
    »Von … von Gabriella zum Beispiel. Du hast ihr zu einem angenehmen Leben hier verholfen ohne eine einzige Gegenleistung und …«
    »Emma?«
    »Ja?«
    »Hast du gerade zugehört? Gabriella will mich bei sich wohnen lassen. Einfach so. Wir sind Freundinnen geworden. So was gibt’s. Mal hilft die eine, mal hilft die andere. So ist das nun mal. Sie hat gemerkt, dass es mir wirklich sehr, sehr schlecht ging mit dieser Wohnungssache. Weißt du, das hier ist doch unser Zuhause. Sieh doch!« Sie deutet auf die Regale, die sich rund um den Raum ziehen, mit all ihren verrückten Sammlerstücken darin. »Ein Zuhause findet man nicht so schnell. Und erst recht nicht, wenn man aus dem alten rausgeworfen wird. Ich habe sogar daran gedacht, nach Brasilien zu gehen …« Ihre Stimme klingt so leicht und unbeschwert. Aber mir bleibt fast das Herz stehen. Brasilien. »Einfach, weil da alles viel leichter genommen wird. Weißt du, da wo ich herkomme, da ist alles aus Sonne gemacht und aus dem Geschmack von Meersalz und Musik. Wäre bestimmt toll, so zu leben.«
    Sie hängt eine Weile diesen schwärmerischen Träumen hinterher.
    Dieser gewisse Ausdruck auf ihrem Gesicht macht, dass ich mich auch auf eine ganz bestimmte Art und Weise anders fühle. Ich weiß nicht, was genau es ist. Aber es fühlt sich an, als wühle sich eine kalte, eiserne Hand durch meine inneren Organe.
    »Aber natürlich geht das nicht«, sagt Lu dann. Und in mir bricht alles vor Erleichterung zusammen. »Wegen der Hunde.«
    »Sicher«, höre ich mich sagen, mit einer Stimme, die von weit her kommt. »Wegen der Hunde.«
    Lu nickt. »Aber ich bin vom Thema weggekommen. Wir waren beim Ausnutzen, nicht? Wer nutzt mich denn noch aus?« Auffordernd blickt sie mich an.
    Ich denke krampfhaft nach. Aber so sehr ich mich auch anstrenge, mir fällt kein anderes Beispiel ein. Ich bin entsetzt, weil ich so wenig von ihr weiß. Ich habe keine Ahnung, ob sie außer Gabriella noch andere Freundinnen oder Freunde hat.
    »Ich!«, platze ich heraus, als ich sehe, dass sich gleich ihre Mundwinkel nach oben ziehen werden. »Ich habe dich doch früher nur ausgenutzt … Du musstest mir immer in Englisch helfen. Und ohne dich hätte meine Mutter mich nie auf all die Partys gelassen. Und dein Vater hat uns immer zu den Konzerten gefahren und brav im Auto gewartet, bis wir wieder rauskamen. Ich habe deine Gutmütigkeit genauso ausgenutzt wie all die anderen Freaks, mit denen du so rumgehangen hast.«
    Diesmal dauert es lange, bis Lu antwortet.
    Sie betrachtet ihre Hände, die auf der aufgeschlagenen Zeitung liegen. Vielleicht denkt sie an früher.
    Erinnert sich an die vielen Situationen, in denen ich von ihr profitiert habe.
    »Du warst meine erste Freundin in Deutschland«, sagt sie dann endlich. »Und du hast mich mit zu deinen Freundinnen genommen. Du hast mir alles gezeigt, was du kanntest. Ich war bei euch fast wie zu Hause. Du hast mir dein Brook-Shields-Poster geschenkt.«
    »Ja«, sage ich und setze mich
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