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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story
Autoren: Miriam Muentefering
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hast.«
    Lu sitzt wie betäubt.
    Ihr Anblick berührt mich sonderbar.
    Ich denke an ihre Tränen letzte Nacht. Und dass ich sie nicht einmal gefragt habe, wieso sie geweint hat.
    Ich denke an ihr Geständnis, dass sie mich liebte, damals, und wie ihr Gesicht dabei aussah.
    Vielleicht denke ich auch an unsere Küsse. Den einen, sanften, ruhigen, poetischen. Und die vielen tiefen, wilden, mächtigen.
    Immer sah ich in ihr nur die Laute, oft auch Vorlaute, optimistisch Fröhliche, übertrieben Extrovertierte.
    Ihre Tränen, ihre Worte und wie sie nun hier sitzt, das ist eine andere Lu. Die ich früher doch nie gesehen habe. Die ich vielleicht nicht sehen wollte.
    Weil sie mir so ans Herz greift.
    »Guck mal«, sagt Armin und deutet auf eine Anzeige unter Immobilien. »Wie wäre es damit für heute?«
    Ich werfe einen Blick darauf.
    »Nein«, sage ich. »Der Text gefällt mir nicht.«
    »Gefällt dir nicht?«, wiederholt Armin. Leider etwas zu laut. Er dämpft sofort die Stimme und hält sich den Kopf. »Wieso gefällt die dir nicht? Hast du auch richtig gelesen? Ich meine die hier: Jugendstilvilla. Kernsaniert. Stilvoll. Ruhig. Die gefällt dir nicht?«
    »Nein«, erwidere ich. »Sind keine Haustiere erlaubt.«
    Lu hebt den Blick.
    »Außerdem bist du nun echt nicht in der Verfassung, dir eine Wohnung anzuschauen«, fahre ich, an Armin gewandt, fort. »Oder glaubst du, der Vermieter würde sich freuen, wenn du stilvoll auf sein frisch gelegtes und siebenmal versiegeltes Stäbchenparkett kotzt?«
    »Ich dachte doch auch eher als Alternative für dieses hier«, brummelt er und schielt zu Daniel.
    »Armin«, sage ich. »Ich glaube, es gibt immer noch einen Unterschied zwischen einer Wohnung, die wir uns zum Zeitvertreib ansehen und einer, in die du wirklich einziehen willst. Oder? Würdest du etwa in so was wohnen wollen?« Ich tippe auf die Anzeige.
    »Ach, ist mir doch egal«, murmelt er und lässt seinen Kopf auf die Hände sinken, die auf der Tischplatte liegen. Offenbar hat eine erneute Katerwelle seine Fähigkeit zur Anteilnahme an den ins Haus stehenden Kündigungen abrupt und vehement beendet.
    »Weißt du schon, wie du nach Hause kommst?«, fragt Daniel ihn.
    Armin grunzt nur.
    »Vermutlich schläft er gleich hier am Tisch wieder ein«, mutmaße ich skeptisch.
    »Das ist wahrscheinlich. Ich kenne dieses Stadium«, grinst Daniel. »Hey, komm schon, Armin. Ich bring dich fix heim. Da kannst du dich dann richtig ausschlafen. Das ist immer noch die beste Medizin gegen deine Krankheit.«
    Da Armin keinerlei Gegenwehr erkennen lässt, beschließen Daniel und ich, das als Zustimmung zu deuten.
    Was Lu dazu denkt, ist nicht rauszufinden. Sie wirkt immer noch wie unter Schock.
    Daniel hilft Armin vom Stuhl, indem er ihn unterhakt, und schmunzelt über dessen vergebliche Bemühung, eine möglichst gute Figur zu machen.
    »Willst du auch mit? Oder bleibst du noch hier?« Denkt Daniel, dass ich den winzigen Seitenblick zu Lu nicht bemerkt habe?
    Ich sehe in meine Tasse. »Ich muss meinen Kaffee noch austrinken.«
    Daniel nickt ernsthaft und wankt gemeinsam mit Armin zur Tür.
    Ich spring dazu, um die Wohnungstür aufzuhalten.
    »Schaffst du das allein?«
    »So ein Fliegengewicht macht mir keine Angst.« Daniel zwinkert mir zu, und Stufe für Stufe verschwindet er mit meinem lieben Freund nach unten.
    Lu sitzt immer noch am Küchentisch. Vor ihr der letzte Rest ihres dritten Brötchens.
    Sie räuspert sich, als ich wieder hereinkomme.
    »Das war ein ganz schöner Schrecken, wie?«, sage ich leichthin und lege meine Hand auf ihre Schulter.
    In dieser Berührung scheinen wir beide zu erstarren.
    Ihre warme Haut unter dem T-Shirt. Ich kann sie atmen spüren.
    »Ich meine die Sache mit der Wohnung«, setze ich hinzu.
    Sie wendet den Kopf. Ihre Haare im Bubikopf sind gerade so lang, dass sie meinen Arm sanft streifen.
    »Bist du sicher?«, fragt sie und lächelt mich an.
    Lus Lächeln, das war früher auch schon so, ist etwas, dem du dich nur schwer entziehen kannst.
    Es ist für ihr Gegenüber wie an einen Zwang gekoppelt, zurückzulächeln.
    Wie oft habe ich in meinem Leben Lucimar Streubel zugelächelt.
    Noch nie habe ich es so bewusst getan wie jetzt gerade.
    Langsam löse ich meine Hand von ihrer Schulter und gehe die zwei Schritte zu meinem Stuhl, auf dem ich mich niederlasse.
    »Und was machen wir jetzt, du und ich?«, fragt Lu leise.
    Ich schaue zur Seite.
    »Ich weiß nicht. Das, was letzte Nacht passiert ist, das … kam
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