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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story
Autoren: Miriam Muentefering
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ganz deutlich. Sie sieht mich an und denkt an all die Dinge, die ich ihr auch nie gesagt habe, weil ich so eine feige Socke war.
    Die ich hätte sagen sollen. Weil man das einfach so tut, wenn man befreundet ist. Weil man nur dann wirklich befreundet ist.
    Diese letzte Nacht muss irgendwie eine ganz besondere gewesen sein.
    Auch wenn gestern Abend noch nichts danach aussah, muss diese Nacht etwas bewirkt haben. Maßgebliche Veränderungen.
    Denn Lu sieht so anders aus.
    Armin scheint endlich etwas begriffen zu haben.
    Und ich. Mit mir ist auch etwas geschehen. Das würde ich ihnen gern sagen.
    »Manchmal braucht man offenbar einen Anstoß von jemandem, dem wirklich etwas an einem liegt, um endlich den richtigen Weg einzuschlagen«, sage ich und wende mich um. »Nicht, Lu?«
    Erwarte, sie dort im Türrahmen stehen und mich anlächeln zu sehen.
    Doch da ist niemand.
    Im nächsten Augenblick höre ich, wie im Bad die Dusche aufgedreht wird und Lu unter dem Wasserstrahl laut zu pfeifen beginnt.
    »Tja«, macht Armin und hält sich den Kopf. »Manchmal ist es dann aber schon zu spät.«
    * * *
    Es ist eine Farce.
    Nachdem Lu geduscht hat, sitzen wir zu dritt am Frühstückstisch. Armin stützt seinen Kopf in die Hände und trinkt Kräutertee. Ab und zu huschen seine Augen von Lu zu mir, von mir zu Lu. Er kann es sich Gott sei Dank verkneifen, etwas zu fragen oder dumme Kommentare abzugeben. Vielleicht hält ihn auch einfach sein Kopf in Schach.
    Lu bietet mir Marmelade und Käse an, mampft selbst mit aller Selbstverständlichkeit drei Brötchen und erzählt lustige Anekdoten, die sich alle ums Thema Betrinken und Kater drehen.
    Wenn ich nicht selbst dabei gewesen wäre letzte Nacht, würde ich vermuten, dass zwischen ihr und mir nie mehr gewesen ist, als es gestern Abend noch der Fall war.
    Als Armin seine Tasse geleert hat und ich gerade vorschlagen will, ein Taxi für uns zu rufen, klopft es an der Tür.
    Jojo macht »Blaff, blaff«, was recht pflichtbewusst, ansonsten aber eher desinteressiert klingt.
    Kasper rennt noch vor Lu zur Tür.
    Schon im Wohnungsflur erkenne ich die tiefe, sonore Stimme wieder. Daniel.
    Armin zieht kaum sichtbar den Kopf ein. Mir entgeht aber nicht, dass er sich ein paar Mal fahrig durch seine schlafzerknautschten Haare streicht.
    »Na, das ist ja eine hübsche Frühstücksversammlung!« Daniel kommt herein und klopft einmal auf den Tisch, worauf Armin leicht zusammenzuckt.
    »Oh, tschuldigung. Zu heftig gefeiert?«, grinst Daniel.
    »Zu viel Liebeskummer«, antwortet Lu an Armins Stelle, bevor er den Mund aufbekommt.
    Daniels Grinsen verschwindet sofort, und er sieht Armin intensiv an. »Das tut mir Leid.«
    »Mitleid hilft!«, versucht Armin einen Scherz, aber ich sehe trotzdem, dass er unter Daniels prüfendem Blick leicht errötet.
    Die fröhliche Guten-Morgen-Stimmung, die gerade mit dem Besuch hereingeweht ist, wird deutlich gedämpft. Offenbar nimmt Daniel Liebeskummer ernst.
    Er legt die Zeitung, die er unterm Arm getragen hat, auf dem Tisch ab und sagt: »Ich hab gestern mit Herrn Bräuer gesprochen. Hast du es schon gehört?«
    Lu schüttelt mit fragender Miene den Kopf.
    »Er hat das Haus verkauft. War ja abzusehen. Er hat ja schon seit einem Jahr davon gesprochen. Das wirklich Blöde daran ist nur: Der neue Besitzer hat sich gleich die notwendigen Genehmigungen eingeholt, um aus dem ganzen Laden hier Eigentumswohnungen zu machen.«
    »Was?«, macht Lu entsetzt.
    »Wir erhalten ein Vorkaufsrecht«, ergänzt Daniel mit ironischem Lächeln.
    »Jetzt weißt du also auch Bescheid. Ich dachte, es sei angebracht, sich schleunigst nach einer neuen Bleibe umzusehen.« Er klopft auf die Zeitung und wendet sich an Armin. »Selbst wenn du das Zimmer haben wolltest, könnten wir es dir jetzt nicht mehr anbieten. Vielleicht sollte ich dich stattdessen bitten, mich für eine Weile bei dir wohnen zu lassen?!«
    Armin blinzelt verlegen und greift Hilfe suchend zu dem nach Druckerschwärze riechenden Blatt.
    »Die können euch nicht einfach so an die Luft setzen«, versuche ich zu trösten. »Ihr habt Kündigungsschutz. Mindestens drei Monate habt ihr Zeit, um was Neues zu finden. Ich glaube, sogar noch viel länger.«
    Daniel nickt. »Klar. Aber es lebt sich nicht mehr so unbeschwert, wenn man weiß, dass da draußen jemand mit einem kompletten Renovierungsteam inklusive Presslufthammer und schicken Designerfliesen wartet, um sofort loszulegen, sobald du die Wohnungstür hinter dir zugezogen
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