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Emmas Story

Emmas Story

Titel: Emmas Story
Autoren: Miriam Muentefering
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für die Gegenargumente etwas zurecht. »Ich habe dich mit zu meinen Freundinnen genommen, weil ich mit dir angeben wollte. Du warst so exotisch und hast so anders gesprochen. Und dann wollte ich vor dir angeben mit allem, was ich konnte und wusste. Deshalb habe ich dir alles gezeigt. Was mein Zuhause anging, hatte ich grässliche Angst, dass meine Eltern dich lieber zur Tochter hätten als mich. Und das Poster habe ich dir nur geschenkt, weil Cornelia Pöten behauptet hat, sie sei das einzige Mädchen, das noch schöner sei als ich.«
    Lu lacht auf. Doch sie wird sofort wieder ernst.
    »Cornelia Pöten hatte sowieso nicht alle Tassen im Schrank«, erwidert sie.
    Ich sehe auf ihren Mund.
    Sie verzieht ihn zu einem typischen Lu-Lächeln. »Weißt du eigentlich gar nicht, was du zurückgibst?«, fragt sie. Einfach so. Ganz selbstverständlich.
    Aber mir treibt sie mit dieser Frage die Tränen in die Augen.
    »Was denn?«, schlucke ich. »Was kann ich denn schon zurückgeben außer einfach nur schön zu sein?«
    Lu schnalzt mit der Zunge. »Dein Selbstmitleid gehört allerdings nicht zu deiner Stärke.«
    »Deinen Stärken«, korrigiere ich automatisch.
    Wir sehen uns an und müssen beide zum ersten Mal seit ich hier bin gleichzeitig lachen.
    »Deine deutsche Grammatik dagegen ist eins a«, meint Lu und deutet dann auf eine der Wohnungsanzeigen. »Hör mal. Die klingt wirklich interessant: Gemütliche whg in ruhigem Altbau am Wald, 4 ½ hoher Raum, sonnig, Wohnküche, in Klammern: keine Einbauküche. Großer Garten eingezäunt. Hunde erlaubt. Hey, Hunde erlaubt, find ich ja echt scharf. So was steht sonst nie in Anzeigen, oder?«
    Ohne nachzudenken, greife ich nach der Zeitung und rupfe sie ihr unsanft unter den Händen weg.
    Plötzlich bin ich so aufgeregt wie damals, als wir zum ersten Mal auf ein Teens-Konzert gefahren sind. Ich dachte, der smarte Alexander würde von der Bühne herunterschauen, mich dort unten stehen sehen und sich vom Fleck weg in mich verlieben. Denn schon damals wusste ich um meine Wirkung. Doch dann standen wir so weit hinten, dass ich nur seinen Scheitel sehen konnte. Aber das war egal. Es war trotzdem das Aufregendste, was ich bis dahin erlebt hatte.
    »Die Wohnung kenn ich«, sage ich tonlos. »Die haben Armin und ich uns schon mal angesehen vor ein paar Wochen.«
    Lu sieht mich aufmerksam an. »Das ist aber nicht das Haus, das dich ruft, oder?«
    Ich nicke langsam.
    Sie liest abermals die Anzeige.
    »Wir haben sie genau an dem Tag angesehen, als du mir dann später im Hausflur über die Füße gestolpert bist«, sage ich. »Und als ich dort war … es war ganz anders als bei allen anderen Besichtigungen. Es war wie ein Willkommen .«
    Lu lauscht verzückt. »Das hast du jetzt schön gesagt«, stellt sie fest.
    »Nicht zu pathetisch?«, frage ich.
    Sie schüttelt lächelnd den Kopf. »Diesmal nicht.«
    »Wer entscheidet, ob es zu pathetisch ist oder nicht?«, will ich neugierig wissen. Denn ich kann zwischen dieser letzten Aussage über die schöne Wohnung und vielen anderen, die ich so von mir gebe, keinen Unterschied ausmachen.
    »Ich!«, erklärt Lu mir.
    Ach so. Na, dann ist ja alles geklärt.
    »Wenn sie jetzt noch mal inseriert, ist sie die Wohnung wohl nicht losgeworden«, meint Lu und presst die Lippen aufeinander, während sie die Worte zum wiederholten Male liest.
    Ich starre sie an.
    ›Ich hab’s gewusst! Ich hab’s gewusst!‹, jubelt es in mir. Aber im Grunde kann das doch gar nicht sein. Ein Haus entscheidet doch nicht, wen es in sich wohnen lassen will. Es belegt diese Menschen nicht bei der ersten Begegnung mit einem Zauber, damit sie es nicht vergessen können.
    ›Und wenn doch?‹
    »Oder sie wartet einfach auf die richtigen Menschen, die dort wohnen wollen«, murmele ich.
    » Altbau klingt toll«, meint Lu vorsichtig.
    » Hunde erlaubt auch«, lächele ich.
    »Wie ist die Wohnung denn so?«, fragt sie.
    »Geil!«, antworte ich, obwohl ich so was sonst natürlich nicht ausspreche.
    »Sie wird viel zu teuer für mich sein«, überlegt Lu und starrt auf die Druckerschwärze.
    »Vielleicht will ja Daniel mit dir dort einziehen. Oder vielleicht findest du eine andere, die …«, stammele ich.
    Lu greift nach dem Telefonhörer, der auf dem Sofatisch liegt.
    Ich kann sehen, dass ihre Hände ein wenig zittern, als sie die angegebene Nummer wählt.
    Ich weiß, dass Frau Beckmann sich meldet und höre gebannt zu, wie Lu sich kurz nach der Wohnung erkundigt und sich
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