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Emma im Glück

Emma im Glück

Titel: Emma im Glück
Autoren: Maja von Vogel
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öffnete ich den Mund. Dabei ließ ich in meinem Kopf immer dieselben Worte kreisen, wie eins von Gesas Yoga-Mantras:
Wird schon nicht so schlimm werden, wird schon nicht so schlimm werden, wird schon nicht so schlimm werden
 …
    Doktor Gehrland fummelte mit einem Pikser in meinem Mund herum und klopfte gegen den einen oder anderen Zahn. Dabei murmelte er: »Schön, schön«, oder: »Fein, fein.« Ich dachte an all die Abende, als ich ins Bett gegangen war, ohne mir die Zähne zu putzen. Ich schwor, ab jetzt immer dreimal täglich Zähne zu putzen, so wie Mona, wenn Doktor Gehrland kein Loch bei mir fand.
    Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch meinen Kiefer. »Au!«, rief ich und klappte automatisch den Mund zu. Fast hätte ich Doktor Gehrland auf den Finger gebissen.
    »Tut das weh?«, fragte er überflüssigerweise.
    »Na ja … ein bisschen«, gab ich zu.
    »Aha!« Doktor Gehrland rückte seine Brille zurecht. »Du hast ein kleines Loch im Backenzahn unten rechts. Das sollten wir uns sofort vornehmen, ehe es größer wird.«
    Ich schluckte. »Muss das sein? Vielleicht verschwindet das Loch ja von alleine wieder …«
    Doktor Gehrland schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht. Aber keine Sorge, es geht ganz fix.«
    »Bekomme ich eine Betäubung?«
    »Das ist nicht nötig«, versicherte Doktor Gehrland. »Es geht so schnell, dass du fast nichts merken wirst.«
    Ich sank tiefer in den Stuhl. Am liebsten hätte ich mich einfach in Luft aufgelöst. Ob ich einen Fluchtversuch wagen sollte? Aber da tauchte schon Frau Pölle auf der anderen Seite des Behandlungsstuhls auf. Ich war umzingelt!
    »Schön weit aufmachen, Emma«, befahl sie. »Wenn es wehtut, heb einfach die linke Hand, dann hören wir sofort auf.«
    Widerwillig öffnete ich den Mund. Frau Pölle stopfte mir einen Sauger in den Mundwinkel, während Doktor Gehrland nach dem Bohrer griff. Das fiese Surren ging mir durch und durch. Allein davon bekam ich schon Zahnschmerzen. Während Doktor Gehrland zu bohren begann, krallte ich mich mit beiden Händen an den Armlehnen fest und versuchte, an etwas anderes zu denken. Ich zählte die Haare in Doktor Gehrlands Nase ( 13 ½) und versuchte, anhand seines Mundgeruchs zu erraten, was er heute zu Mittag gegessen hatte (mein Tipp: Knoblauchhähnchen mit Salzkartoffeln). Der Bohrer surrte immer lauter.
    Da schoss ein hundsgemeiner Schmerz durch meinen Zahn, als hätte der Blitz eingeschlagen. Ich stöhnte und hob die Hand. Doktor Gehrland bohrte einfach weiter. Ich versuchte, etwas zu sagen, aber es kamen nur gurgelnde Laute aus meiner Kehle. Ich wedelte wie ein Weltmeister mit der Hand, aber die beiden Kinderquäler reagierten überhaupt nicht.
    »Wir haben’s gleich, Emma«, trällerte Frau Pölle. »Hältst du es noch einen klitzekleinen Moment aus?«
    Ich gurgelte ein »Nein«, aber Frau Pölle verstand mich leider nicht. Sie nickte mir aufmunternd zu. Doktor Gehrland bohrte und bohrte. Der klitzekleine Moment kam mir so lang vor wie drei Mathestunden hintereinander. Ich versuchte es mit Gesas spezieller Atemtechnik. Angeblich kann man Schmerzen einfach wegatmen, wenn man ruhig und tief in den Bauch atmet. Das behauptet zumindest Gesa. Ich holte tief Luft und ließ sie langsam in meinen Bauch strömen …
    Natürlich funktionierte es nicht, hätte ich mir ja denken können. Der Schmerz wurde sogar noch ein bisschen schlimmer. Als ich gerade dachte, jetzt halte ich es nicht länger aus, verstummte das Surren, und Doktor Gehrland nahm den Bohrer aus meinem Mund.
    »Das war’s schon«, sagte er. »Jetzt machen wir noch eine schöne Füllung, dann bist du erlöst.«
    »War doch halb so wild, oder?« Frau Pölle lächelte wieder ihr Zahnpastalächeln. Ich warf ihr einen wütenden Blick zu. Dumme Kuh!
    Kurze Zeit später war ich tatsächlich fertig.
    Frau Pölle nahm mir das Tuch ab, das sie vor der Behandlung um meinen Hals gelegt hatte, und ich setzte mich erleichtert auf.
    Doktor Gehrland reichte mir die Hand. »In einem halben Jahr sehen wir uns wieder. Und immer schön putzen, hörst du?«
    Ich nickte matt und erhob mich vom Behandlungsstuhl. Meine Knie fühlten sich weich an. Am liebsten wäre ich sofort verduftet, aber Mona war noch nicht so weit.
    »Dauert es noch lange?«, fragte ich den jungen Zahnarzt, der gerade ihre Zähne untersuchte. Das musste Herr Wieland sein. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie er hereingekommen war.
    »Nein, wir haben’s gleich.« Er trug einen Mundschutz. Das sollte sich
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