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Elvira, Rubina und Sabine

Elvira, Rubina und Sabine

Titel: Elvira, Rubina und Sabine
Autoren: Regina Noessler
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war geheimnisvoll und spannend. Zwar tat Sabine sowas nicht zum ersten Mal, aber irgendetwas war diesmal aufregender als sonst, oder etwas war einfach nur anders, vielleicht war es ja die Stimme – egal.
     
    An dem Tag dann, als es passieren sollte, wurde Sabine von der für sie typischen Lustlosigkeit überfallen; sie hatte keine Lust gehabt zu verreisen – auch, wenn die Fahrt von Berlin nach Leipzig nur zwei Stunden dauerte –‚ und sie hatte überhaupt keine Lust, auf einem fremden Bahnhof eine Fremde abzuholen. Der Leipziger Kopfbahnhof war zweifellos schön, erzitterte aber soeben unter den mächtigen Stößen der Renovierungsarbeiten, die vermuten ließen, dass gleich das Dach über den Köpfen vieler, vor allem aber über dem Sabines zusammenstürzen würde.
     
    Und dann hatte Claudias Zug auch noch fünfzehn Minuten Verspätung. Es war kalt, und Sabine trug keinen Schal. Sollte Claudia beim Ankommen nur ruhig als erstes ihr Dekolleté sehen. Aber nun erwies es sich als unvernünftig, auf einen Schal verzichtet zu haben, und Sabine rauchte auch noch eine nach der anderen, weil sie sich fragte, wie sie inmitten all dieser Leute die rosafarbene Reisetasche erkennen sollte und weil sie aufgeregt war – gegen ihren Willen.
     
    Noch während sie in diese Gedanken verstrickt war – sie hatte keine Lust, nach einer fremden Claudia Ausschau zu halten, von der sie lediglich Namen und abscheuliche Farbe der Tasche wusste, und dass sie eine ganze Menge mit Sex zu tun hatte, wusste sie auch, nicht aber, ob sie z.B. auch gut aussah; sie hatte einfach keine Lust, in Leipzig herumzustehen, es war kalt, sie hatte Hunger, und genau genommen wollte sie nur eins: ins Bett, und zwar allein, und war Claudia mit der durchaus sympathischen Stimme am Telefon nicht ein wenig überbetont unkompliziert und lustig gewesen? So lustig war das Leben schließlich nicht. Und Sex auch nicht. – Noch während Sabine all dies dachte, nein, ich hab’s mir anders überlegt, ich will jetzt doch nicht, hielt der Intercity aus Berlin plötzlich neben ihr; die ersten waren bereits ausgestiegen und an ihr vorbeigegangen. Die Tasche! Die rosa Tasche! Sie musste die rosa Tasche finden, und sie musste die lustige, unkomplizierte Claudia entdecken, lange, bevor sie von Claudia entdeckt werden konnte (obwohl sie gar kein Erkennungszeichen hatte), denn die Erste zu sein, würde ihr die nötige Sicherheit geben.
     
    Aber es zogen nur Taschen in gedeckten Farben und Koffer auf quietschenden Rädern an ihr vorüber. Alle Frauen, die vom Alter her – Mitte 30 – in Frage gekommen wären, führten geschmackvolleres Gepäck mit sich, oder sie wurden bereits abgeholt, oder sie waren nicht so fröhlich, wie Sabine sich Claudia vorstellte, oder sie sahen überhaupt nicht so aus, als hätten sie nur irgendetwas mit Sex zu tun.
     
    „Du bist Sabine!“ entschied die Frau, die sich vor sie hingestellt hatte und jetzt auch tatsächlich lachte, und ihre Tasche war sehr groß und sehr rosa.
     
    „Woher weißt du das?“ sagte Sabine grimmig.
     
    „Ich weiß es eben“, sagte Claudia, und genau so würde sich auch ihr zukünftiges Verhältnis zueinander gestalten.
     
    Der allererste Kuss irritierte Sabine, vorschnelle Verbindlichkeiten waren nicht ihre Sache; und so nahm sie die vertraute Verhaltensweise an: stocksteif stand sie da, so als wäre sie ein einziger Haltungsschaden (denn natürlich wurde der Kuss von einer Umarmung begleitet), aber was war schon ein Kuss.
     
    „Ich helf dir mal tragen“, sagte Sabine, was sie sofort wieder bereute, denn die Tasche war noch schwerer als am Telefon angekündigt. So gingen sie nun nebeneinander her, jede einen Griff der Tasche in der Hand, und da sie über keine eingespielten Bewegungen miteinander verfügten, bollerte die Tasche immerzu gegen die Beine, und zwar gegen die Sabines.
     
    „Das ist ein schöner Bahnhof!“ sagte Claudia, „wie vor zwei Jahren!“ Das Tempo ihres Schritts, dem Sabine sich unweigerlich anpassen musste, wollte sie nicht Claudia an der Tasche wie ein Hündchen hinter sich herschleifen, ließ an Spazierengehen und Bummeln denken und nicht an Business und Termine, deshalb erinnerte Sabine sie daran, dass sie zuallererst zur Buchmesse müssten.
     
    „Nee, erst will ich einen Kaffee“, entschied Claudia. „Nein wir müssen erst zur Messe“, sagte Sabine.
     
    „Einen Kaffee“, sagte Claudia, „ich hatte heute noch keinen.“ „Messe!“
     
    „Och, die vielen doofen
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