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Elvira, Rubina und Sabine

Elvira, Rubina und Sabine

Titel: Elvira, Rubina und Sabine
Autoren: Regina Noessler
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Teile des Rückens; es war ein ästhetisches Foto von durchaus künstlerischem Wert, das sofort in jeden erotischen Fotoband aufgenommen worden wäre. Das Zentrum, an dem die Augen der Schaffnerin immer noch hafteten, wurde jedoch eindeutig dominiert von diesem Fleisch, das sich der Betrachterin aus dem Foto heraus geradezu plastisch entgegenstreckte.
     
    „Kann ich bitte auch die Bahncard sehen?“
     
    Durfte Elvira auf einen fairen und diskreten Austausch hoffen? Dokument gegen Hintern?
     

2
     
    Der Zug passierte Duisburg. Elvira sah, wie die Schaffnerin am anderen Ende des Großraumwagens gewandt durch den Mittelgang schritt, hier und da lächelte und Fahrkarten abknipste, und auf einmal war ihr so, ja doch, wenn sie sich das Baskenmützchen wegdachte, als würde sie diese Schaffnerin von irgendwoher kennen. Ein klitzekleines, aber wohltuendes Gefühl signalisierte ihr das.
     
    Natürlich bildete Elvira sich allerhand auf ihr phänomenales Personengedächtnis ein, denn sie brauchte etwas, worin sie sich auszeichnete. Irgendetwas, worin sie gut war. Bei Silke, ihrer Geliebten, zeigte sie keine überragenden Leistungen. Sie konnte sich abstrampeln, wie sie wollte. Bei Silke Hackenberg konnte Elvira sich einfach nicht gehen- und treiben-, nicht in die Gefilde jenseits des Denkens, von denen sie schon gehört hatte, hineinfallen lassen. Sogar das Küssen schien sie verlernt zu haben, oder war Küssen womöglich so wie Fahrradfahren?
     
    Es gab ein gravierendes sprachliches Problem zwischen ihnen. Silke nämlich war eine Verfechterin der harten Tour, was sich in Ich mach dich völlig fertig, du kleine geile Sau und ähnlichen Anfeuerungen äußerte, die Elvira eher nicht zu schweißtreibenden Höchstleistungen anspornten; und was war dagegen ein dahingehauchtes Schön! oder ein schwer und tief geseufztes ja! oder die gefühlvolle Kombination aus beidem, jaaa, schön! – wie sollte das vor einer kleinen geilen Sau bestehen können?
     
    Die Schaffnerin kam näher, elegant fing sie jedes Ruckeln des Zuges ab, und entfernte das Reservierungsschild über Elviras Kopf.
     
    Woher kannte Elvira sie nur? Der peinliche Zwischenfall mit Silkes Hintern war Gott sei Dank glimpflich verlauten und gehörte der Vergangenheit an. Die Schaffnerin –  woher kannte Elvira sie nur? – schrieb etwas auf die Rückseite des Schildchens und übergab es ihr.
     
    Lächelte sie ihr immer noch wegen des Fotos so frech ins Gesicht?
     
    Pssschhh. Die Tür, die die Waggons voneinander trennte, öffnete sich, und die Schaffnerin verschwand dahinter.
     
    ES HÄTTE SCHÖN WERDEN KÖNNEN, SO SCHÖN, stand auf der Rückseite der Reservierung. Eine seltsame Mitteilung für eine Schaffnerin.
     
    Und da fiel es Elvira endlich ein. Ihr Personengedächtnis ließ sie nicht im Stich.
     
    Die Schaffnerin und sie waren sich in einem anderen Leben schon einmal begegnet. Vor einem Monat. Auf einer dieser großen Partys, ladies only. Die Schaffnerin hatte damals Zivil getragen, eine kurze schwarze Lederhose und eine schwarze Strumpfhose mit riesigen, obszönen Laufmaschen, und sie hatte Elvira eindeutige Angebote gemacht. Elvira erinnerte sich so genau, weil sie vor einem Monat durchaus nicht abgeneigt war, ihr unter den eifersüchtigen Augen Silkes aber die Hände gebunden waren.
     
    Elvira rutschte vor Aufregung auf ihrem Sitz hin und her, sie wiederholte genüsslich den Zungenkuss, den sie sich schon während der ganzen Zugfahrt vorgestellt hatte, o mein Gott, wo hast du nur so gut zu küssen gelernt?, wurde sie in Gedanken gelobt, sie wiederholte ihn innig; und nachdem sie erst einmal die kurze schwarze Lederhose geöffnet und über den Hintern gestreift und die schwarze Strumpfhose zerfetzt hatte, einem wilden und hungrigen Tier ähnlich, das Fleisch witterte, küsste sie noch ganz andere Orte, O MEIN GOTT!, wo hast du nur so gut Lecken gelernt? –  bis ihr mittendrin Silkes niederschmetternder Satz einfiel. Es gibt Sätze, die immer bleiben.
     
    Silke hatte nicht gesagt: Los, schalt um! Ich kann Verbotene Liebe nicht ausstehen! – obwohl das Elviras Lieblingsserie war. Silke hätte stattdessen ohnehin sofort die Fernbedienung an sich genommen. Nein, in einer schwachen Stunde hatte Elvira mit heißen Ohren und klopfendem Herzen ihren brennenden Wunsch zart angedeutet. Leck mich, o bitte leck mich. Der Wunsch war so leise über ihre Lippen gekommen, dass sie ihn selbst kaum hatte wahrnehmen können, aber Silkes Gehör war scharf.
     
    Ihre
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