Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Elia Contini 03 - Das Verschwinden

Titel: Elia Contini 03 - Das Verschwinden
Autoren: Andrea Fazioli
Vom Netzwerk:
Gemeinschaftspraxis, die er sich mit Enzo geteilt hatte, bestand aus sechs Räumen in der vierten Etage eines Hauses im Zentrum von Lugano. Vom Büro aus sah man den Verkehr auf dem Corso Elvezia. Im Juli war wenig los, dennoch bildeten sich an den Ampeln kleine Schlangen. Mankell wartete die nächste Grünphase ab, ehe er sich wieder umdrehte. Er wollte nicht insistieren – Sonia hätte sich nur umso fester in ihre fixe Idee verbissen.
    »Wie geht’s Natalia?«
    »Sie hat natürlich ziemliche Stimmungsschwankungen. Manchmal sperrt sie sich in ihr Zimmer ein und ist untröstlich, und Stunden später ist sie mit Freunden unterwegs.«
    »Ist doch gut, dass sie ihr Leben lebt. Wart ihr in den Bergen?«
    »Ja. Am Wochenende fahren wir noch mal hin. Da hab ich Zeit, diese ganzen Sachen hier zu lesen.«
    »Sicher.« Mankell seufzte. »Sicher. Hast du mit Natalia darüber gesprochen?«
    »Ich möchte sie lieber raushalten …«
    Raushalten?, dachte Mankell, aus was denn raushalten? Sonia weiß nicht, was sie sagt. Er betrachtete sie, wie sie vor Enzos Schreibtisch kniete. Mit ihren Locken, die das schmale Gesicht mit den weichen Zügen umrahmten, wirkte sie jünger, als sie war. Ihre grauen Augen hatten etwas Resolutes.
    »Möchtest du vielleicht einen Kaffee?«, fragte er.
    Sie war so vertieft in Enzos Korrespondenz, dass sie ihn nicht hörte. Mankell räusperte sich. Er nahm seine Brille ab, putzte mit einem Hemdzipfel die Gläser und wiederholte die Frage.
    Luciano Savi genoss den Augenblick der Ruhe, bevor der abendliche Rummel anfing. Um vier Uhr nachmittags hatte er die Räume des Tukan ganz für sich. Vor ein paar Stunden war er aufgestanden, hatte geduscht und ein Panino verspeist. Jetzt stand er mit nacktem Oberkörper oben auf der kleinen Treppe, die seine Privaträume vom Lokal trennte, und blickte auf sein Reich, das ihm zu Füßen lag. Aus dem Halbdunkel funkelte das stählerne Gestänge der Barhocker.
    Er stieg die Stufen hinunter und umrundete die Theke mit schwerem Schritt. Er fühlte eine gewisse Müdigkeit auf sich lasten. Vielleicht hatte er wirklich ein paar Kilo zu viel auf den Rippen. Er nahm eine Flasche Talisker herunter und schenkte sich eine ordentliche Portion ein. Normalerweise trank er ja nicht vor fünf, weil er Alkohol am Nachmittag nicht gut vertrug. Aber die schlechten Nachrichten, die ihn an diesem Tag ereilt hatten, ertränkte er lieber gleich.
    Sie hatten schon versucht, ihm das Tukan wegzunehmen, sein Lokal. Mehrfach sogar. Aber Savi ließ sich nicht unterkriegen, von niemandem. Natürlich hatte er Kompromisse machen und sich mit den richtigen Leuten anfreunden müssen, um es dahin zu bringen, wo er jetzt stand. Unterwegs hatte er sich den einen oder anderen Feind gemacht, das ließ sich nicht vermeiden, und wenn dieser Doktor Rocchi mit den falschen Leuten geredet hätte …
    Lieber gar nicht dran denken.
    Was für eine Erleichterung, als Rocchi den Löffel abgegeben hatte. Aber jetzt war tatsächlich die Ehefrau in seine Fußstapfen getreten und hatte angefangen, im Kehricht zu wühlen. Warum hatten es alle auf ihn abgesehen? Weil er den Leuten auf die Nerven ging, darum. Weil er einer war, der aus der Reihe tanzte, einer, der sich aus eigener Kraft hochgearbeitet hatte.
    Er leerte sein Glas auf einen Zug und wischte sich die schweißnasse Stirn. Heiß war es. Er schaltete die Klimaanlage ein. Dann ging er ins Bad und trimmte seinen Bart, der den großen Stilwillen seines Besitzers verriet: Zu einem üppigen Schnurrbart gesellte sich ein dünnes, schmales Kinnbärtchen, und das Ensemble ergänzten die Koteletten, die seine Wangen diagonal durchschnitten.
    Er zog sich ein T-Shirt mit dem Tukan, dem Logo des Lokals, über den Kopf, öffnete weit die Eingangstür und blinzelte in die grelle Sonne. Über kurz oder lang würde er sich auch der Frau des Doktors annehmen müssen, und zwar eigenhändig. Alle reißen nur immer das Maul auf, aber wenn es wirklich drauf ankommt, muss man die Sache selber in die Hand nehmen. Wie damals, als sich die Gemeinde Arbedo-Castione über das Tukan beschwert hatte. Es war nur ein lästiges Gemunkel hinter seinem Rücken, natürlich – keine schweren Geschütze. Und es gab Proteste wegen der Frauen, wegen Drogen, wegen der Schlägereien. Dabei war Savi der Erste, der bei Raufereien eingriff, der Erste, der die Ruhe wiederherstellte!
    Seine Überlegungen wurden von einem der Mädchen unterbrochen, das drüben im ersten Stock auf den Balkon trat. Savi, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher