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Elfmeter fuer die Liebe

Elfmeter fuer die Liebe

Titel: Elfmeter fuer die Liebe
Autoren: Lex Beiki
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schliefen. Und ich hatte sie geweckt.
    Ich öffnete kurzerhand die nächste Tür , an der ich vorbeikam, halb erwartend, meinen verstorbenen Großvater anzutreffen, wie immer mit einer Pfeife im Mund und einem Kreuzworträtsel auf dem Schoß; aber ich fand lediglich einen pickeligen Jungen im Teenagertiefschlaf.
    Ich stakste durch das Haus wie durch Mehlschwitze – wahrnehmend, aber nicht erkennend, und landete irgendwann in einem der Situation völlig unangemessen freundlichen Badezimmer. Es dauerte einige Schrecksekunden, ehe ich registrierte, dass der unrasierte Mann neben mir nicht etwa ein weiterer Fremder, sondern mein Spiegelbild war. In einem Zustand tranceähnlicher Erschütterung sah ich daraufhin zum ersten Mal seit dem Erwachen an mir herunter.
    Und schrie.
    Und hörte auch nicht wieder auf. Es schien mir eine passende Reaktion zu sein, Traum Hin oder Her.
    Was als nächstes passierte, nahm ich nur in Fetzen wahr, manchmal mit, manchmal ohne Geräuschkulisse. Menschen kamen herbeigeeilt und lasen mich vom Boden auf; ein runder Mann und die Frau von vorher. Er katatonisch phlegmatisch, sie redend wie ein Wasserfall. Sie schien zu dem Typ Frau zu gehören, der in unüberschaubaren Szenarien den Durchblick bewahrte durch ständiges Geplappere.
    „Nervenzusammenbruch“, dachte ich ausmachen zu können. Die beiden begannen, mich zu stützen und aus dem Badezimmer zu hieven; wobei sie einfach weiter redeten, als sei diese Situation für die beiden sehr viel weniger überwältigend als für mich. Schließlich war ich über Nacht ein Mann geworden und in ihrem Haus erwacht; aber wer weiß, vielleicht passierte so was öfter als man dachte.
    Der einzige klare Gedanke, den ich fassen konnte, war der, dass ich damit wenigstens eine f antastische Ausrede hatte, um nicht an meinem Roman zu schreiben.
    „Die EM“, grummelte der Mann unwirsch. „Der Stress! Und dann musst du ihn auch immer so drängen, Else.“
    Die Decke, sah ich, als ich zwischendurch auf flauschigen Teppichboden plumpste, war in einem bezaubernden creméweiß gehalten.
    „Drängen?“, protestierte die Angesprochene pikiert. „Ich und drängen? Das war doch bloß der ein oder andere Kommentar!“
    Der Mann ergriff mich bei den Schultern und versuchte nun, mich über den Boden zu schleifen – ein Vorhaben, das schnell scheiterte. Mein Körper fühlte sich an wie Blei, vermutlich war er auch genauso schwer.
    „Ja lass ihn halt zufrieden damit“, prustete er.
    „Aber du findest doch auch, dass es für den Jungen langsam mal Zeit wird. Oder, Herbert?“
    Sie nahm meine nackten Füße, während Herberts Hände sich unter meine Achseln wanden. Gemeinsam hievten sie mich eine handvoll Stufen hinunter, die mir wie die Wendeltreppe zur Hölle vorkamen. Währenddessen keuchte Herbert: „Eben, Else. Langsam. Tobi ist nun mal eher der gemütliche Typ. Der braucht etwas mehr Zeit als andere.“
    „Ja, und deswegen gebe ich ihm hin und wieder einen kleinen Schubser.“
    „Deine Schubser, Else, sind Blutgrätschen!“
    „Also, das muss ich mir am frühen Sonntag nicht anhören!“
    Sie legten mich so sanft es eben ging auf ein Sofa, in das ich dankbar hineinsank.
    „Ich ruf Roxana an“, jappste Else nach Luft schnappend. „Die ist Lehrerin.“
    „Die ist Russisch lehrerin“, widersprach Herbert.
    „In jedem Fall kennt sie sich sicher mit so was aus.“
    Diese völlig überdrehte Realität von sich weisend, war mein Verstand keine große Hilfe. Schwächlich lag ich auf dem Sofa,
    „Er ist ganz bleich, Herbert, so tu doch was!“
    und nahm die Welt durch einen Filter aus Zuckerwatte wahr. Ich ertrank in den belanglosen, für mich unsinnigen Worten dieser beiden Menschen, die sich meiner angenommen hatten, und konnte nichts dagegen tun.
    Mit brechender Stimme brachte ich vorsichtig nach mehreren erfolglosen Versuchen zu sprechen die Frage „Wo bin ich?“ hervor.
    Die Antwort waren erschrocken aufgerissene Augen und eine bebende Unterlippe.
    „Amnesie!“, brüllte Herbert mir ins Gesicht. „Der Junge hat Amnesie!“
    Seine Frau, Telefonhörer in der einen Hand, bekreuzigte sich hektisch mit der anderen.
    Meine nächsten Worte waren eher praktischer Natur: „Ich hab Hunger.“
    „Gottseidank! Wenigstens das “, rief sie erleichtert, um dann in den Hörer zu schnarren: „Kevin, hier ist deine Mutter.“
    Ein schwarzes Höllenbiest sprang auf meinen Kopf und maunzte mir etwas Unverständliches ins Ohr, während es nadelfeine Krallen in
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