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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Duftwässerchen, Badeölen und wahrscheinlich vollkommen nutzlosen, aber ganz bestimmt sündhaft teuren Tinkturen zu plündern und etliches davon ziemlich wahllos in das heiße Wasser zu schütten. Das Ergebnis war eine Mischung, die nicht einmal übermäßig gut roch, aber vermutlich sehr kostspielig war, und sich überraschend angenehm auf der Haut anfühlte, als sie sich in das heiße Wasser gleiten ließ.
    Es war einfach wundervoll. Das warme Wasser schien ihre Haut wie tausend sanft streichelnde Hände zu liebkosen, und sie fühlte sich augenblicklich sauberer … und sie genoss dieses Gefühl in vollen Zügen.
    Ein Teil von ihr blieb aufmerksam und lauschte weiter auf jedes noch so winzige verräterische Geräusch, das irgendwo im Haus ertönen mochte, aber sie gestattete sich trotzdem zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit den Luxus, sich einfach zu entspannen, an nichts zu denken und sich sicher zu fühlen. Und natürlich begann dieses Gefühl zusammen mit der Wärme und dem angenehm cremigen Streicheln des Wassers sie einzuschläfern. Sie wurde müde, spürte, wie ihre Gedanken auf Wanderschaft zu gehen begannen, und riss sich mit einer enormen Willensanstrengung wieder in die Wirklichkeit zurück; und sei es nur wegen der ebenso peinlichen wie absurden Vorstellung, am nächsten Morgen von einem Polizisten geweckt zu werden, der zuerst sich und dann sie fragte, was eine nackte junge Frau in einer Wanne voll kalt gewordenem Wasser am Schauplatz eines Verbrechens tat.
    Vermutlich wurde es Zeit. Sie hatte zwar noch nicht einmal eine Ahnung, wie es weitergehen sollte, aber hier konnte sie auf keinen Fall bleiben, das war klar. Sie hätte gar nicht hierherkommen sollen, und wenn sie es ganz genau nahm, dann war es nicht einmal ihre Idee gewesen; jedenfalls nicht von Anfang an.
    Nachdem sie sich von Prinzessin Gaylen wieder in Pia zurückverwandelt und aus der Welt der Feen, Orks und menschenfressenden Bäume wieder nach Rio de Janeiro zurückgekehrt war, war sie die ersten Minuten einfach ziellos herumgeirrt und hatte versucht, die Erkenntnis zu verdauen, wieder zurück und vor allem am Leben zu sein.
    Vielleicht, überlegte sie träge, war es aber auch gar nicht so ziellos gewesen, wie sie im ersten Moment angenommen hatte, denn als sie allmählich in die Wirklichkeit zurückfand und sich mit dem Gedanken anzufreunden begann, noch am Leben und der schwarzen Schattenklinge Tormans irgendwie entkommen zu sein, war sie bereits auf halbem Wege hierher gewesen, zu Estebans Haus, nicht zu ihrer eigenen kleinen Wohnung, die in einem anderen Viertel der Favelas lag, nahezu an deren entgegengesetztem Ende. Es war einfach bequemer gewesen, weiterzugehen, zumal sie in ihrer abenteuerlichen Aufmachung selbst zu dieser fortgeschrittenen Stunde mehr Aufsehen erregte, als ihr lieb sein konnte. Zufall? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
    Sie richtete sich weit genug in dem dampfend heißen Wasser auf, um über den Rand der Wanne spähen zu können, und maß die magischen Stiefel, die sie in Griffweite daneben abgestellt hatte, mit einem durchdringenden Blick.
    »Wenn ihr irgendetwas damit zu tun habt, dann wäre jetzt der richtige Moment, um es mir zu beichten, Freunde«, sagte sie.
    Natürlich antworteten die Stiefel nicht, und sie musste noch einmal an den hypothetischen Polizisten von gerade denken und bei der Vorstellung lachen, was er erst sagen würde, wenn er sie mit ihren Stiefeln sprechen sah.
    Sie grinste noch breiter, setzte sich ein wenig weiter auf und fuhr sogar noch lauter fort: »Es ist ungezogen, einer Dame nicht zu antworten, wenn sie eine direkte Frage stellt, Jungs. Und dumm. Ich meine: Wenn mir etwas zustößt, dann könntet ihr auch etwas abbekommen, habt ihr schon mal daran gedacht?Ich kann mir nicht vorstellen, dass es euch gefällt, euch in einem Rotkreuzsack auf dem Weg nach Ecuador wiederzufinden.«
    Nicht einmal diese Drohung half. Die Stiefel schwiegen beharrlich, und durch die offen stehende Tür drang ein leises Rascheln.
    Pia war mit einer einzigen fließenden Bewegung aus der Wanne (sie bemerkte nicht einmal, dass sie dabei praktisch kein Geräusch verursachte) und neben der Tür, wo sie sich mit heftig klopfendem Herzen und angehaltenem Atem gegen die Wand presste und lauschte. Das Geräusch wiederholte sich nicht, aber sie spürte jetzt mit vollkommener Gewissheit, dass dort draußen jemand war – und wahrscheinlich die ganze Zeit über da gewesen war!
    Verdammt, wie hatte sie nur so
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