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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Atem holen zu lassen. Anscheinend war er doch nicht gekommen, um sie umzubringen; wenigstens nicht gleich und nicht so schnell. Pia riss ihren Blick von dem blind gewordenen Spiegel los (was sie enormeÜberwindung kostete, denn ein Teil von ihr war hundertprozentig davon überzeugt, dass das Gespenst in genau dem Augenblick wieder darin auftauchen musste, in dem sie wegsah) und drehte mit einiger Mühe den Kopf, um ihm ins Gesicht zu sehen.
    Er sah nicht so schlimm aus, wie ihre Fantasie ihr angesichts des dramatischen Augenblicks hatte weismachen wollen. Er war breit und überaus kräftig, und wäre sein Gesicht im Moment nicht zu einem bewusst schmutzigen Grinsen verzogen gewesen, hätte es auf seine Art sogar gut ausgesehen. Er hatte ein bisschen was von Jesus, dachte Pia, auch wenn er nicht ganz so groß und muskulös war.
    Der Gedanke stimmte sie traurig, denn er erinnerte sie an Ter Lion. Statt ihn zu packen und ihm den Arm auszukugeln, wie sie es eigentlich in der nächsten Sekunde vorgehabt hatte, schloss sie die Augen und musste plötzlich mit aller Gewalt gegen die Tränen ankämpfen.
    Der Bursche deutete ihre Reaktion falsch. Sein Griff lockerte sich weiter – wenn auch nicht so sehr, dass sie sich hätte losreißen können, wäre sie noch die gewesen, als die sie vor ein paar Wochen (oder Stunden) von hier weggegangen war – und sein Grinsen wurde noch schmutziger. »He, Süße«, sagte er feixend. »Nicht weinen. Der gute Onkel tut dir doch nichts! Im Gegenteil. Wenn du ein bisschen lieb zu ihm bist, dann zeigt er dir was ganz Schönes.«
    Seine andere Hand löste sich von ihrer Schulter, glitt ein Stück nach unten und legte sich auf ihre rechte Brust, um sie einen Moment lang zu kneten, gerade hart genug, um ihr ein bisschen wehzutun, glitt dann noch ein wenig tiefer und blieb auf ihrem Bauch liegen. Sein Zeigefinger begann mit ihrem Bauchnabel zu spielen, und in seinem Blick erschien etwas Neues und Hämisches. Wenn seine Hand noch ein kleines Stück weiter nach unten wanderte, beschloss Pia, dann würde sie sie ihm abreißen – oder besser gleich den ganzen Arm.
    »Lass den Quatsch, Toni«, sagte der andere Bursche. »OnkelJosé will sie unversehrt haben.« Er hatte die Hand heruntergenommen, aber seine Stimme klang noch immer leicht näselnd; vermutlich lag das daran, dass seine Nase nicht nur immer noch heftig blutete, sondern auch bereits sichtbar anzuschwellen begann.
    »Hat er auch was davon gesagt, ob er sie als Jungfrau will?«, griente Toni. Aber nach einer weiteren Sekunde hörte er doch auf seinen Kumpel und nahm die Hand von ihrem Bauch. Vielleicht hatte er auch irgendetwas in ihrem Blick gelesen, was ihn verunsicherte, denn er nahm nun auch die andere Hand herunter und trat einen halben Schritt zurück.
    Pia sank mit einem hörbaren Seufzen ein Stück in sich zusammen, legte die linke Hand auf den Hals und bedeckte mit der anderen ihre Brüste – als ob es da noch irgendetwas gegeben hätte, was er nicht schon gesehen hatte.
    »Hast recht, Max.« Er klang ein bisschen enttäuscht. »Aber was nicht ist, das kann ja noch kommen.« Sein Blick taxierte sie so unverhohlen, dass sie spürte, wie ihr nun doch die Schamesröte ins Gesicht schoss.
    »Hast recht, sie ist nicht Onkel Josés Typ. Zu mager.«
    Pia wollte etwas sagen, brachte aber nur ein mühsames Husten heraus. Sie merkte erst jetzt, wie sehr der Kerl ihr wehgetan hatte, und verpasste sich selbst in Gedanken einen Rüffel. Sie war (zu Recht) davon ausgegangen, dass er keine wirkliche Gefahr für sie darstellte, sodass sie nicht einmal auf die Idee gekommen war, sich zu verteidigen. Eine wirklich clevere Taktik. Gehörte das auch zu Dai-Ki?
    »Ist alles in Ordnung?« Es war nicht Toni, der diese Frage stellte, sondern Max. Er hatte ein Taschentuch ausgegraben und versuchte damit, sein Nasenbluten zu stillen, allerdings mit wenig Erfolg. Er war ein bisschen kleiner als Toni und kam ihr wie der Vernünftigere der beiden vor, aber nicht unbedingt wie der Harmlosere.
    Außerdem war seine Frage angesichts ihrer momentanenLage ziemlich dämlich, fand Pia. Sie beantwortete sie trotzdem mit einem angedeuteten Nicken – allerdings erst, nachdem sie einen weiteren Blick in den Spiegel geworfen und sich davon überzeugt hatte, dass er nur Toni und sie zeigte.
    »Dann zieh dir was an und komm mit.« Max tupfte weiter an seiner Nase herum. »Onkel José möchte dich sprechen.«
    »Kannst aber auch so mitkommen«, feixte Toni. »Ich hätte
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