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Elfenzorn

Elfenzorn

Titel: Elfenzorn
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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längst zu spät. Lion wirbelte auf dem Absatz herum und warf sich schützend über sie, aber es war vollkommen sinnlos. Die Zeit schien plötzlich mit zehnfacher Geschwindigkeit dahinzurasen und gleichzeitig fast stillzustehen, wiees manchmal in Augenblicken größter Gefahr der Fall zu sein scheint: Lion warf sich über sie, um sie mit seinem eigenen Körper zu beschützen, das Rauschen und Summen der näher kommenden Todeswolke schwoll in ihren Ohren immer mehr und mehr an, und vor dem trotzig emporgereckten Bug der Drakkensang schäumte das Wasser wie von unsichtbarem Hagel aufgewühlt, als die schwarze Todeswolke wieder zu ungezählten Pfeilen zerfiel und sich auf das Schiff herabsenkte. Pia spürte, wie sich die gewaltige Magie der Drakkensang regte, uralt und unbegreiflich wie dieses Schiff selbst, um sie zu schützen und die tödliche Bedrohung abzuwenden, aber vielleicht war ihre Stärke noch nicht weit genug erwacht, oder nicht einmal sie reichte, um diesen massiven Angriff abzuwehren. Unzählige Pfeile wurden beiseitegeschoben oder ... verschwanden einfach, aber ungleich mehr von ihnen rasten weiter heran. Vor dem Schiff begann das Wasser zu kochen, dann war es, als jagte eine kompakte schwarze Wand auf die Drakkensang zu, die den Bug verschlang, die Deckplanken und die Reling und das gesamte Schiff wie unter Hammerschlägen erbeben ließ. Lion schrie noch einmal und noch lauter auf, doch seine Stimme wurde einfach vom Rauschen der Pfeile und dem hämmernden Geräusch der Einschläge verschluckt, und dann war die schwarze Wand endgültig heran, und Pia schloss die Augen und klammerte sich mit verzweifelter Kraft an Lion und nichts geschah.
    Eine einzelne, nicht enden wollende Sekunde lang saß Pia mit angehaltenem Atem und geschlossenen Augen da und wartete auf den reißenden Schmerz, der alles beenden würde.
    Stattdessen wurde es still.
    Lions Schrei, das Tosen der niederstürzenden Pfeilwolke, selbst der apokalyptische Lärm der Schlacht waren verstummt, und die plötzliche Stille kam ihr so absolut vor, dass sie in ihren Ohren zu dröhnen schien. Dann erscholl ein einzelner erschrockener Schrei, gefolgt von hastigen Schritten, die sich rasch entfernten.
    Pia ließ eine weitere, noch endlosere Sekunde verstreichen,ehe sie es wagte, die Augen zu öffnen und sich umständlich aus Lions Umarmung loszumachen. Er wirkte genauso fassungslos wie sie (und war genauso unversehrt) und als sie ihn mit sanfter Gewalt von sich schob und sich aufsetzte, stellte sie fest, dass auch Isabel noch da war.
    Das war aber auch schon alles. Die Drakkensang war verschwunden, genauso wie der See, das Ufer und der Dschungel und die mörderische Schlacht. Selbst der Himmel war fort und hatte einer schmutzig grauen Glocke Platz gemacht, deren bloßer Anblick ihr das Gefühl gab, nicht mehr richtig atmen zu können. Von weit her drangen Geräusche an ihr Ohr; ein Rauschen und Rumoren, manchmal auch ein schrilles Pfeifen und Hupen und Fetzen einer fremdartigen, sonderbar atonal anmutenden Musik.
    »Sind wir ... tot?«, murmelte Lion.
    Pia antwortete nicht. Vielleicht. Aber wenn sie tot war und das hier die Hölle, dann hatte sie verdammt große Ähnlichkeit mit Rio de Janeiro ...
    »Wo … wo sind wir?«, fragte Lion. »Was ist das, Gaylen?«
    »Wir sind zurück, Jesus«, sagte sie mit leiser, bebender Stimme. »Wir sind wieder zu Hause.«
    »Zu Hause?« Lion blinzelte, sah sich verwirrt um und starrte dann wieder sie an. »Was meinst du damit, zu Hause? Gaylen, was ist das hier?«
    Jetzt war es Pia, die ihn verstört ansah und nicht wirklich verstand, was er meinte. Und als sie es begriff, tat sie es mit einem Gefühl von solchem Entsetzen, dass ihre Kehle einfach wie zugeschnürt war und sie keinen Laut herausbekam.
    Schritte näherten sich und aufgeregte Stimmen. Pia drehte überrascht den Kopf und sah eine ganze Gruppe aufgeregt gestikulierender Männer und Frauen auf sich zukommen, angeführt von einer hochgewachsenen Gestalt in schwarzen Hosen und Lackstiefeln, die ein hellblaues Hemd und eine schwarze Schirmmütze trug und dazu ein lackiertes schwarzes Koppel, an dem eine wirklich beeindruckend große Pistole hing. »Was istpassiert?«, fragte der Polizist aufgeregt. »Hatten Sie einen Unfall? Brauchen Sie Hilfe?« Ohne auch nur auf eine Antwort zu warten, ergriff er sie am Arm, zog sie vollends in die Höhe – und prallte mit einem erschrockenen Keuchen zurück, als er Isabels reglosen Körper erblickte.
    »Aber was –?«,
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