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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewechselt hatte, hatten nicht unbedingt den Charakter eines Befehls gehabt; jedenfalls nicht die Art von Befehl, wie sie ihn von dem Hernandez erwartet hätte, an den sie sich von früher erinnerte. Der Comandante war es nicht gewohnt, seine Entscheidungen zu erklären.
    Die Frage, die sie dann laut stellte, war jedoch eine ganz andere. »Was habt Ihr mit Alica gemacht? Ist sie noch am Leben?«
    »Deine Freundin?« Der Ausdruck gelinder Ratlosigkeit auf seinem Gesicht wirkte echt. »Was soll mit ihr sein?«
    »Sie ist nicht bei Euch?«
    Hernandez schüttelte nur den Kopf, und Pia fuhr schon fast ein bisschen verzweifelt fort: »Aber Ihr müsst sie gesehen haben! Sie war bei mir, als Ihre Männer uns auf der Waldlichtung überfallen haben.«
    »Das mag sein«, antwortete Hernandez. »Ich war nicht dabei, und meine Männer haben nichts von ihr erzählt. Vielleicht haben Istvans Soldaten sie … mitgenommen.«
    Das winzige Zögern in seinen Worten entging Pia nicht. Er hatte etwas anderes sagen wollen. »Er hat dasselbe von Ihren Leuten angenommen.«
    »Dann muss sich einer von uns täuschen«, antwortete Hernandez, »oder lügen. Meine Männer haben nichts erzählt …die wenigen, die den Kampf überlebt haben, heißt das.« Er machte eine wenig überzeugende Geste. »Ich werde einige Männer losschicken, die nach ihr suchen … aber du solltest dir keine allzu großen Hoffnungen machen. Die Wälder dort draußen sind sehr gefährlich.«
    »Es gibt Räuber und mörderische Barbaren«, sagte Pia. »Man kann überfallen werden. Ich weiß.«
    Hernandez überging die Bemerkung. »Ich kann mir nicht erklären, was sich diese Gaukler dabei gedacht haben, dorthin zu gehen«, fuhr er unbeirrt fort. »Es gibt dort draußen Gefahren, die du dir nicht einmal vorstellen kannst. Selbst die Orks meiden die Eissümpfe, wenn sie es können.«
    Pia konnte sich nicht an irgendwelche Sümpfe erinnern, aber die mochten weiter in Richtung des Tränensees gelegen haben, zu dem sie unterwegs gewesen waren. Dafür begriff sie eines umso deutlicher: Hernandez hatte nicht die geringste Ahnung von Valoren und ihrem geheimnisvollen Verbündeten, der angeblich am Ufer des Tränensees auf sie gewartet hatte. Und das sollte wohl besser so bleiben.
    »Die Eissümpfe liegen nicht auf unserem Weg«, sagte Hernandez, »doch ich werde einen Suchtrupp losschicken. Wenn deine Freundin noch lebt, dann finden sie sie.« Sein Tonfall machte klar, wie wenig Hoffnung er hatte, Alica tatsächlich zu finden, aber Pia empfand trotzdem ein flüchtiges Gefühl von Dankbarkeit, dass er es wenigstens versuchte; ein Gefühl, das sie fast erschrocken verscheuchte. Sie würde sich auf keinen Fall auch nur irgendeine positive Regung Hernandez gegenüber gestatten. Nicht dass am Ende noch ihre Hand zitterte, wenn sie ihm ein Messer in die Brust rammte.
    Ihr Trupp wuchs langsam, aber beständig weiter, während sie sich dem Stadttor näherten. Als der mächtige Turm in Sicht war, war ihre Zahl auf mehr als hundert angewachsen, gut ein Drittel davon Orks, von denen die Hälfte auf schuppigen Reitechsen saßen, und mit jedem Schritt, den sie sich dem Torturm näherten, stießen noch weitere Männer zu ihnen. In gleichem Maße nahm der Schlachtenlärm ab, der noch immer aus den Straßen der Stadt heranwehte, mittlerweile fast überlagert vom Tosen der Flammen und dem Schreien und Lärmen der Menschen, die ebenso verzweifelt wie vergeblich versuchten das Feuer zu löschen, das ihre gesamte Stadt zu verschlingen drohte. Selbst wenn es ihnen gelang, dachte Pia schaudernd, würde WeißWald nie mehr die Stadt sein, die Alica und sie kennengelernt hatten. Sie würde Jahre brauchen, um sich von diesem einen Tag zu erholen. Und ihre Bewohner würden die beiden Frauen, die wie aus dem Nichts bei ihnen aufgetaucht waren, ganz bestimmt nicht in guter Erinnerung behalten. Wahrscheinlich würde die Geschichte von Prinzessin Gaylen hier in Zukunft etwas anders erzählt werden als im Rest des Landes.
    Fünfzig oder sechzig Meter vor dem Tor ließ Hernandez anhalten, angeblich, um auf die restlichen Truppen zu warten, die noch in der Stadt unterwegs waren, und tatsächlich wuchs die Zahl der Krieger noch einmal auf gute zwei- bis dreihundert an; eigentlich ein lächerlich kleiner Trupp, um eine ganze Stadt zu erobern; selbst eine so kleine wie WeißWald.
    Aber diese Männer waren schließlich nicht gekommen, um die Stadt zu erobern, sondern um sie zu verwüsten, und die Hälfte von ihnen
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