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Elfenblut

Elfenblut

Titel: Elfenblut
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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tot.
    Hernandez’ Männer formierten sich zu einer langen Schlange, die sich ganz auf der linken Seite der Straße hielt, um der Hitze der brennenden Häuser auf der anderen Seite zu entgehen, und selbst Pia begann die Temperatur bald als unangenehm zu empfinden – obwohl sie sich seit Wochen nichts so sehnlich wie ein bisschen Wärme gewünscht hatte.
    Aber hier war es nicht warm, sondern unerträglich heiß, und die Luft war so stickig, dass sie ununterbrochen husten musste. Etliche Häuser auf der gegenüberliegenden Seite waren bereits in sich zusammengebrochen, und die anderen standen lichterloh in Flammen und gaben sich redlich Mühe, auch noch den Rest der Stadt in Brand zu setzen.
    Die Chancen, dass es ihnen gelingen würde, standen nicht schlecht. Das Feuer war schon viel zu groß, um es noch unter Kontrolle zu bringen. WeißWald war dem Untergang geweiht.
    »Sind Sie zufrieden, Hernandez?«, fragte sie – allerdings erst, nachdem sie den brennenden Bereich der Straße hinter sich gebracht hatten und die Temperaturen wieder halbwegs erträglich waren.
    Hernandez maß sie mit einem irritierten Blick, drehte sich dann aber halb im Sattel herum und sah zurück. Pia tat dasselbe und konnte ein eisiges Frösteln nicht ganz unterdrücken. Das Feuer war auf die andere Straßenseite übergesprungen und fraß auch dort gierig an Dächern und Fassaden. Die Luft flimmerte vor Hitze, und gerade als sie sich herumdrehte, brach ein weiteres Gebäude in einem gewaltigen Funkenschauer zusammen und spie eine Million gelber und roter Feuerkäfer in die Luft, die sich gierig auf die Suche nach etwas machten, das sie entzünden konnten. Die Hitze dort hinten war mittlerweile so gewaltig, dass sich die Körper der Erschlagenen in der wabernden Luft zu bewegen schienen.
    »In dieser beschaulichen Stadt herrschen heute wahrscheinlich zum ersten Mal seit tausend Jahren einigermaßen erträgliche Temperaturen«, sagte Hernandez.
    »Ja, das war witzig. Sie scheinen auch noch stolz auf das alles hier zu sein.«
    »Stolz?« Hernandez schüttelte den Kopf, setzte zu einer Antwort an und lenkte sein Reittier ein Stück von ihrem Pferd fort, als er spürte, wie nervös das Tier auf die Nähe der unheimlichen Kreatur reagierte, bevor er fortfuhr. »Nein, das bin ich nicht, Pia. Wir haben Krieg, und Krieg ist niemals etwas, worauf man stolz sein sollte.«
    »Warum führen Sie ihn dann?«
    »Ich führe ihn nicht«, behauptete Hernandez. »Wir tun lediglich das, was jeder andere an unserer Stelle auch tun würde; dich eingeschlossen. Wir verteidigen uns.«
    »Verteidigen? Gegen Frauen und Kinder?«
    Hernandez machte ein trauriges Gesicht. »Du hast Mitleid mit Ihnen? Mit einer Stadt, deren Bewohner ihre eigenen Kinder schlachteten und dafür sorgten, dass ein ganzes Volk verhungert?«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Pia. »Das mit den Kindern …«
    »Ich weiß nicht, weshalb sie ihre eigenen Kinder zum Abschuss freigeben, und es ist mir ehrlich gesagt auch gleich! Und weißt du, warum?« Er deutete erregt auf die nächsten Krieger. »Ihretwegen! Unter meinen Männern ist nicht einer, der nicht einen Bruder oder Vater oder Sohn an die Truppen deiner Freunde verloren hätte, und auch nicht einer, der nicht schon sein totes Kind in Armen gehalten oder seine Frau oder Schwester beerdigt hätte, die verhungert sind, weil ihrem Volk die Weidegründe gestohlen werden und die Herren im fernen Apulo systematisch alle Lebensmittellieferungen unterbinden lassen. Also erzähl mir bitte nichts von Mitgefühl!«
    »Selbst wenn das alles stimmt«, antwortete Pia, »rechtfertigt es das hier nicht!«
    Sie rechnete fest mit einer noch schärferen Antwort, und Hernandez setzte auch tatsächlich zu einer solchen an – aber dann hob er nur die Schultern und machte ein eher betroffenes Gesicht. »Vielleicht hast du sogar recht.«
    »Aber?«
    Hernandez hob noch einmal die Schultern. »Wie soll ich etwas in ein paar Minuten erklären, was ich nicht einmal in zwölf Jahren ganz verstanden habe?«, fragte er. »Ich versuche es gern, aber jetzt ist wirklich nicht der richtige Moment dafür.« Er brachte sein Reittier mit einer abrupten Bewegung zum Stehen, bedeutete Pias Führer, dasselbe zu tun, und zog ein dünnes Lederband aus der Tasche, als der Mann ihr Pferd wieder dichter an ihn heranführte. Das Tier scheute und begann unruhig mit den Hinterläufen zu stampfen, und Pia klammerte sich hastig am Sattelhorn fest, hatte aber trotzdem alle Mühe, sich auf
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