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EisTau

EisTau

Titel: EisTau
Autoren: Ilija Trojanow
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fragte sie, ob sie auch bei ihm putzen wolle. Paulina begriff nicht, wieso ich kein Auto besaß, obwohl ich mir eines leisten konnte, ein Mangel, der im Laufe eines verregneten Aprils eindringlich spürbar wurde, die Heimat war allein von der Zugspitze aus erträglich (zum ersten Mal saß ich in der Seilbahn; es gelang mir nicht einmal, Paulina zu einem Abstieg zu bewegen), wir durchgrauten die Tage, wir waren gegenseitig ausgelauscht, unsere Begierde verrann schneller als die Zeit. Unstimmig verlief auch mein Gastspiel auf Luzon, quasi über Nacht wurde sie zu einem sich einfügenden Rädchen, war nicht mehr Paulina, sondern die älteste Tochter, die wohlhabende Schwester und ich ein Souvenir aus fremden Landen, das man nach Hause trägt, um es zunächst stolz auszustellen, bis das Mitbringsel seinenNeuigkeitswert einbüßt, im Weg steht, von einer Ecke in die andere geschoben und schließlich ignoriert wird, doch so lange wollte ich nicht warten, also stieg ich am Marktplatz in einen Bus mit dem verheißungsvollen Namen Inland Trailways, fuhr durchs Land, suchte in jedem Gesicht nach einer Spur von Paulina und fand nur Fremde. Als ich nach Hause flog, trugen alle am Flughafen Mundschutz, götzendienerische Masken.
    Am Ende des nördlichen Sommers treffen wir uns im tiefsten Süden wieder, beglückt und beisammen. Wir sind füreinander geschaffen, in der Antarktis. Paulina ist ein Segen, den ich nicht mehr hätte erfahren dürfen.
     
     
    Wie die Eisbilanz der letzten Saison ausgefallen sei, fragt ein Passagier, der zum wiederholten Mal mit uns reist, den Kapitän beim ersten Abendessen. Ich habe noch nie so viel Packeis gesehen wie zu Beginn der Saison, antwortet der Kapitän, ich habe noch nie so viel Grün gesehen wie gegen Ende der Saison.

2.
    Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, gen Süden flohen wir, da regnet es Dollars wie Schneeflocken, man muß Opfer von allen verlangen, bestellen Sie, solange der Vorrat reicht, das Museum hat zu, ein Wasserschaden, das Dach war alt und baufällig, und nun der Höhepunkt des heutigen Abends, ich hab so ’nen Haß auf diese fetten Ärsche in ihren Dreckschleudern, diese Cayenne-Turbo-Wichser. Es gibt ein Problem mit einem unserer Schiffe, mit der MS HANSEN, der Funkkontakt ist abgerissen. Ich lasse dir den Vortritt, Charly, der Gürtel gebührt dir, du Flinkfinger, eins-zwei-drei: pat-pat-pat-pat, Minirock zu Boden, stramm über den Hoden, Showtime. Ich kann bestätigen, die MS HANSEN fährt mit voller Geschwindigkeit in nordwestliche Richtung, auf falschem Kurs, ja, weiterhin kein Funkkontakt, wir haben keine Erklärung dafür, wir müssen auf jeden möglichen Notfall vorbereitet sein. Das nenne ich Effizienz, lol, unser lustiges Gewinnspiel besteht aus der Aufgabe, einen sinnigen Satz aus »Firlefanz« und »papperlapapp« zu bilden, wer es als erster schafft, bekommt unseren begehrten Trippel-Trappel-Becher, wir bestehen darauf, daß die Kommission international besetzt wird, muß unter die Lupe genommen werden, das Fixing für Nickel erfolgte heute morgen mit einer unerklärlichen Verzögerung, super Lösung, alle schlechten Dinge sind drei und vier und zwei. Nein, kein May Day, keine Anzeichen von Problemen, keine Erwähnung von Störfällen im daily report , Straßensperre, jeden Cayenne-Turbo-Wichser rausholen und vordie Wahl stellen: entweder Auto oder Schwanz, gut unterwegs, kleiner Scherz am Rande, unter Christen galt die Wüste als Ort des Bösen, die Wüste ist der ultimative Ort des Guten, wie konnten Ihre Vorboten so danebenliegen, Herr Bischof? eine glattrasierte Muschi, E-vulva, ta tatatata tata e lungo per me, Charly, du willst uns einen Bären aufbinden, du schmutzige Schnauze, den Bären zwischen den Schenkeln, Unterschiede zwischen Regenwürmern und Schimpansen, zwischen Punks und Portiers sind rein kulturell bedingt, Achtung aufgepaßt BREAKING NEWS NATUR NICHT IN GEFAHR, MENSCHEN ALLE TOT? BREAKING NEWS NATUR NICHT IN GEFAHR, MENSCHEN ALLE TOT? weiter so

III.   
S 53°22´5´´W 61°02´2´´
    Eis zu erklären, das war es, was mich von Anfang an für diese Aufgabe eingenommen hat, die mir aus zugezogenem Himmel ins Haus flatterte. Kollege Hölbl stand da, maskiert als Bote, der eine freudige Nachricht zu überbringen hat, er klappte seinen Regenschirm zu und erkundigte sich, ob er im Entree die Schuhe ausziehen solle. Ich weiß nicht mehr, ob er »Ich habe einen Anschlag auf dich vor« oder »Kannst du mir einen Gefallen tun?« sagte, ob
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