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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht
Autoren: Sandra Brown
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von einer Rippe punktierte Lunge, Organrisse, Knochenbrüche. Außerdem gefiel es ihr gar nicht, dass er so unnatürlich abgeknickt dalag, fast als wäre sein Kreuz nach hinten durchgebrochen.
    Sie musste Hilfe holen. Sofort. Sie stand auf und rannte zu ihrem Auto zurück. Mit ihrem Handy konnte sie die Polizei rufen. Natürlich war der Handyempfang in den Bergen nicht der beste, aber vielleicht…
    Sein Stöhnen ließ sie innehalten. Sie drehte sich so schnell um, dass ihr fast die Füße unter dem Leib wegrutschten. Wieder ging sie neben ihm in die Hocke. Seine Lider hoben sich flatternd, er sah zu ihr auf. Solche Augen hatte sie erst einmal in ihrem Leben gesehen. »Tierney?«
    Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, und sah im nächsten Moment aus, als müsste er sich übergeben. Mit fest zusammengekniffenen Lippen schluckte er mehrmals, bis der Brechreiz nachließ. Er schloss die Augen wieder, um sie nach ein paar Sekunden erneut aufzuschlagen. »Wurde ich getroffen?«
    Sie nickte. »Ich glaube, vom hinteren Kotflügel. Tut Ihnen was weh?«
    Nach kurzem, prüfendem Nachdenken antwortete er: »Alles.«
    »Ihr Hinterkopf blutet. Ich kann nicht sehen, wie schlimm es ist. Sie sind auf einem Stein gelandet. Ich möchte Sie lieber nicht bewegen.«
    Seine Zähne begannen zu klappern. Entweder kühlte er aus, oder er stand unter Schock. Gut war beides nicht.
    »Ich habe eine Decke im Auto. Bin gleich wieder da.«
    Sie stand auf, zog den Kopf wegen des Windes ein und arbeitete sich zu ihrem Auto vor, während sie gleichzeitig rätselte, was in aller Welt er sich dabei gedacht hatte, ohne jede Vorwarnung aus dem Wald auf die Straße zu springen. Was tat er hier oben überhaupt, mitten in einem Schneesturm und noch dazu zu Fuß?
    Der Kofferraumhebel am Armaturenbrett funktionierte nicht, möglicherweise war die Elektrik beschädigt. Oder die Klappe war festgefroren. Sie zog den Schlüssel aus dem Zündschloss und ging damit zum Kofferraum. Wie befürchtet war das Schloss von einer Eisschicht überzogen.
    Sie tastete sich zum Straßenrand vor, hob dort den größten Stein auf, den sie sehen konnte, und nahm ihn, um das Eis wegzuschlagen. In Notsituationen wie dieser sollte man angeblich einen Adrenalinschub spüren, der übermenschliche Kräfte verlieh. Sie spürte nichts dergleichen. Als sie endlich genug Eis weggeschlagen hatte, um die Klappe anzuheben, war sie erschöpft und keuchte schwer.
    Nachdem sie die Kartons beiseitegeschoben hatte, sah sie die Picknickdecke in der dazugehörenden Plastikhülle liegen. Sie und Dutch hatten sie zu Footballspielen mitgenommen. Sie half vielleicht gegen eine kühle Herbstbrise, nicht gegen einen Blizzard, aber vermutlich war sie besser als nichts.
    Sie kehrte zu der am Boden liegenden Gestalt zurück. Der Mann lag totenstill da. Ihre Stimme überschlug sich vor Schreck. »Mr Tierney?« Er schlug die Augen auf. »Ich lebe noch.«
    »Ich hatte Probleme, den Kofferraum aufzubekommen. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.« Sie breitete die Decke über ihn. »Das wird nicht viel helfen, fürchte ich. Ich werde versuchen…«
    »Sparen Sie sich die Entschuldigungen. Haben Sie ein Handy?«
    Wie sie noch von ihrer ersten Begegnung wusste, war er ein Mann, der gern das Kommando übernahm. Auch recht. Dies war nicht der Zeitpunkt, die Feministin herauszukehren. Sie angelte das Handy aus ihrer Manteltasche. Es war eingeschaltet, das Display leuchtete. Sie drehte es ihm zu, sodass er die Meldung lesen konnte. »Kein Netz.«
    »Das habe ich befürchtet.« Er versuchte den Kopf zu drehen, verzog das Gesicht, schnappte nach Luft und spannte dann die Kinnmuskeln an, um das Zähneklappern zu unterbinden. Nach ein paar Sekunden fragte er: »Fährt Ihr Wagen noch?«
    Sie schüttelte den Kopf. Sie kannte sich nur begrenzt mit Autos aus, aber wenn die Kühlerhaube aussah wie eine zusammengeknüllte Coladose, konnte man vernünftigerweise annehmen, dass der Wagen nicht mehr fuhr.
    »Hier können wir nicht bleiben.« Er unternahm einen Versuch aufzustehen, aber sie drückte seine Schulter mit der Hand auf den Boden zurück.
    »Vielleicht haben Sie sich das Rückgrat gebrochen oder verletzt. Ich finde, Sie sollten sich nicht bewegen.«
    »Es ist riskant, das stimmt. Aber ich muss mich bewegen , wenn ich nicht erfrieren will. Ich muss das Risiko eingehen. Helfen Sie mir auf.«
    Er streckte seine Rechte aus, und sie umklammerte sie mit aller Kraft, während er sich bemühte, den Oberkörper
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