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Eisnacht

Eisnacht

Titel: Eisnacht
Autoren: Sandra Brown
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aufzurichten. Aber er konnte sich nicht aufrecht halten. Im nächsten Moment knickte er in der Taille ab und sackte gegen Lilly. Sie fing ihn mit ihrer Schulter ab und hielt ihn so fest, während sie die Decke wieder um seine Schultern legte.
    Dann hob sie seinen Oberkörper langsam an, bis er saß. Der Kopf baumelte leblos auf seiner Brust. Frisches Blut rann unter seiner Mütze hervor, sammelte sich vorn an seinem Ohrläppchen und tropfte von dort auf sein Kinn.
    »Tierney?« Sie schlug ihm leicht auf die Wange. »Tierney!«
    Er hob den Kopf, öffnete aber nicht die Augen. »Ohnmächtig geworden, glaube ich. Mir ist so verflucht schwindlig.«
    Er begann tief zu atmen, durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Nach einer Weile schlug er die Augen auf und nickte. »Besser. Glauben Sie, dass wir mich mit vereinten Kräften auf die Füße stellen können?«
    »Lassen Sie sich bloß Zeit.«
    »Wenn wir was nicht haben, dann Zeit. Stellen Sie sich hinter mich, und schieben Sie die Arme unter meine Achseln.« Sie ließ ihn widerstrebend los und trat, als sie sicher war, dass er nicht umkippen würde, hinter ihn. »Ein Rucksack.«
    »Genau. Und?«
    »Sie lagen so komisch da, dass ich dachte, Sie hätten sich vielleicht das Rückgrat gebrochen.«
    »Ich bin auf dem Rucksack gelandet. Wahrscheinlich hat mich das vor einem Schädelbruch bewahrt.«
    Sie zog die Träger des Rucksacks von seinen Schultern, damit sie ihn besser stützen konnte. »Ich wäre so weit.«
    »Ich glaube, ich kann jetzt aufstehen«, sagte er. »Sie sind da, um mich aufzufangen, falls ich nach hinten kippe. Okay?«
    »Okay.«
    Er setzte die Hände neben den Hüften auf den Boden und hievte sich hoch. Lilly stand nicht nur hinter ihm, um ihn aufzufangen, falls er umkippte. Sie arbeitete genauso schwer wie er, zog ihn hoch, bis er richtig stand, und hielt ihn dann fest, bis er sagte: »Danke. Ich glaube, jetzt schaffe ich's.«
    Er fasste unter seinen Mantel, als er die Hand wieder herauszog, hielt er ein Handy in der Hand, das offenbar an seinem Gürtel geklemmt hatte. Er sah aufs Display und zog die Stirn in Falten. Sie las den Fluch von seinen Lippen ab. Auch er hatte kein Netz. Er deutete auf das Autowrack. »Ist irgendwas in Ihrem Wagen, was wir in Ihre Hütte mitnehmen sollten?«
    Lilly sah ihn überrascht an. »Sie wissen von unserer Hütte?«
    Scott Hamer biss vor Anstrengung die Zähne zusammen.
    »Gleich hast du's, Junge. Komm schon. Du schaffst das. Noch einen.«
    Scotts Arme bebten vor Anspannung. Die Adern wölbten sich grotesk unter der Haut. Schweiß rollte von seinem Gesicht und tropfte von der Gewichtbank auf die Turnmatte, wo er kleine Pfützen auf dem Gummi bildete.
    »Ich kann nicht mehr«, stöhnte er.
    »O doch. Gib mir hundertzehn Prozent.«
    Wes Hamers Stimme hallte durch die Turnhalle der Highschool. Bis auf die beiden war das Gebäude menschenleer. Alle anderen durften vor über einer Stunde heimgehen. Nur Scott musste hierbleiben, lange nachdem der Unterricht beendet war und lange nachdem die anderen Sportler das Nachmittagstraining absolviert hatten, das ihnen der Coach, Scotts Vater Wes, aufgetragen hatte.
    »Ich will, dass du dein Letztes gibst.«
    Scott hatte das Gefühl, dass seine Blutgefäße jeden Moment platzen könnten. Er blinzelte den Schweiß aus den Augen und schnaufte mehrmals Speichel sprühend durch den Mund, um Kraft zu tanken. Die Muskeln in seinem Bizeps und Trizeps zitterten vor Überanstrengung. Sein Brustkorb drohte jeden Moment zu explodieren.
    Aber sein Dad würde ihn erst entlassen, wenn er zweihundert Kilo gestemmt hatte, mehr als das Doppelte von Scotts Körpergewicht. Fünf Durchgänge waren für heute angesetzt. Sein Vater war ganz groß, wenn es darum ging, Ziele zu setzen. Er war noch größer, wenn es darum ging, sie zu erreichen.
    »Hör auf, mir was vorzuspielen, Scott«, sagte Wes ungeduldig.
    »Tu ich doch gar nicht.«
    »Atme durch. Schick den Sauerstoff in die Muskeln. Du schaffst das.«
    Scott holte tief Luft und atmete in kurzen Stößen wieder aus, während er seinen Arm und Brustmuskeln das Unmögliche abverlangte.
    »Das ist es!«, rief sein Dad. »Du hast ihn noch mal zwei Zentimeter angehoben. Vielleicht sogar vier.«
    O Gott, bitte lass es vier sein.
    »Ein allerletztes Mal! Noch ein einziger Stoß, Scott.«
    Ohne dass er es wollte, stieg ein tiefes Knurren aus seiner Kehle, während er seine ganze Kraft in die bebenden Arme lenkte. Aber er schaffte es, die Stange einen
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