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Eiskalter Sommer

Eiskalter Sommer

Titel: Eiskalter Sommer
Autoren: Wolf S. Dietrich
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einmal, wie sich dann herausgestellte hatte. Es war also kein Ausrutscher gewesen. Offenbar hatten alle Bescheid gewusst, nur sie nicht.
    Sie waren so brünstig gewesen, dass sie es in der Küche getrieben hatten. Susanne war früher gekommen als geplant. Hatte sich auf einen freien Nachmittag mit Frank gefreut. Zuerst hatte sie nur das Stöhnen gehört. Hatte sich, von den Geräuschen angezogen und abgestoßen zugleich, der offenen Küchentür genähert.
    Frank hatte angezogen auf einem Stuhl gesessen, Petra über ihm gehockt. In Reizwäsche!
    Wie auf einem dieser sexistischen Titelbilder des Stern, deretwegen Alice Schwarzer und andere prominente Frauen die Zeitschrift verklagt hatten. Die gesamte WG war auf ihrer Seite gewesen. Auch Frank.
    Tränenblind hatte Susanne ihre Sachen gepackt. Keinen Tag länger hätte sie mit diesem Dreckskerl unter einem Dach leben können.
    Andrea hatte sie aufgehalten. „Wenn einer geht, dann ist es Frank. Das ist doch wohl klar. Du bleibst.“
    Am selben Tag war der Brief ihrer Mutter gekommen. Ob sie für einige Tage nach Hause kommen könnte. Sie wollte ihre Schwester in der DDR besuchen. Normalerweise hätte Susanne nach Ausflüchten gesucht, um nicht fahren zu müssen. Doch dieses Mal hatte sie sofort angerufen. „Ja, ich komme. Du kannst beruhigt fahren. Ich kümmere mich um Vater.“
    Wenn Mutter nicht da war, würde es keinen Stress geben. Sie würde für Vater kochen, die Wäsche waschen und als Gegenleistung seinen Mercedes benutzen. Sie würde Freunde besuchen, viel unternehmen, sich ein bisschen umsehen.
    Auch nach Männern. Schon wegen Frank.
    Sie versuchte, ihre Gedanken auf ihr Zuhause zu konzentrieren. Auf den Hof, das nahe gelegene Dorf, in dem sie die Grundschule besucht hatte. Auf die Zeit am Gymnasium für Mädchen in Cuxhaven. Die Freundinnen. Ihre erste Liebschaft. Den Streit mit der Mutter. Ihren Ausbruch aus dörflicher Enge und kleinstädtischer Spießigkeit. Ihre Flucht nach Hamburg. Die Wochen in verschiedenen Wohngemeinschaften. Der Umzug nach München.
    Doch immer wieder drängte sich das Bild in ihr Bewusstsein. Petra und Frank. In der Küche.

    *

    Als der klapprige Renault R4 die Wache vor der Lüneburger Scharnhorst-Kaserne passierte, hinterließen die schmalen Räder deutliche Spuren im frischen Schnee. Tanzende weiße Flocken begrenzten die Sicht für den Fahrer, und die Wischer hatten Mühe, die Scheiben frei zu halten. Dennoch rollte der kleine Wagen zügig durch die Straßen der alten Salzstadt, überquerte den Stadtring und ließ Lüneburg rasch hinter sich.
    Keiner der Insassen verschwendete einen Gedanken an die Stadt oder ihre Menschen. Die Gedanken der vier jungen Männer in dem Wagen eilten voraus, zum Ziel der Fahrt. Schon viele Male war Erik mit seinen drei Freunden im R4 von der Kaserne nach Hause gefahren. Nach Hause – das hieß, auch für ihn, Cuxhaven und Umgebung. Nur wenig mehr als zwei Stunden lagen zwischen Dienstschluss in der Kaserne und der Freiheit des Wochenendes. Jan würde er wie immer in Altenwalde absetzen, Sven in Süderwisch und Hendrik in Döse. Und wie immer würden sich die anderen am Samstag treffen und gemeinsam einen draufmachen. Ohne ihn. Er war kürzlich Vater geworden und würde das Wochenende mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn verbringen. In der neuen Wohnung, die sie kurz vor der Geburt des Kleinen bezogen hatten, gab es noch viel zu tun. Da blieb keine Zeit für Feiern mit den Kameraden.
    In dem Schneegestöber reichte der Lichtkegel der Scheinwerfer nicht sehr weit. Erik sah angestrengt hinaus und bemühte sich, den Spuren anderer Fahrzeuge zu folgen, die vor ihnen die Fahrbahn markierten. Auch sein Beifahrer Sven konzentrierte sich stumm auf den Weg. Sie kannten die Strecke, aber unter der weißen Decke sah alles ganz anders aus.
    „Was ist denn das hier für eine miese Stimmung?“, durchbrach Hendrik das Schweigen und kramte in seiner Tasche. „Wir fahren ins Wochenende, Leute. Da ist doch wohl ein bisschen gute Laune angesagt. Hier! Nehmt erst mal ‘n Schluck!“ Er reichte zwei kleine Flaschen nach vorne und drückte seinem Nebenmann ebenfalls eine in die Hand. „Wie sagte noch der Pfarrer von Steinhagen am Grabe? Wieder nahm unser Herrgott einen Steinhäger zu sich. – Prost, Jungs!“
    Hendriks Vorrat an Witzen reichte bis Winsen. Seine Schnapsflaschen fast bis Ottersberg. Wegen der winterlichen Straßenverhältnisse kamen sie langsamer voran als sonst. Kurz vor Bremen stellte Sven
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