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Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Titel: Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
Autoren: Karen Rose
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anrief, nachdem Winters an diesem Morgen tot in der Toilette aufgefunden worden war. Toms Wunsch war offenbar in Erfüllung gegangen. Die anderen Häftlinge hatten Rob weiß Gott nicht mit offenen Armen willkommen geheißen, nachdem sie erfahren hatten, dass er diesen jungen Schwarzen in Asheville zu Tode geprügelt hatte. Ihr Magen revoltierte bei dem Gedanken daran, wie viele andere Leben Rob außerdem noch ausgelöscht hatte, Leben, von denen niemand je erfahren würde. Morde, von denen keiner etwas ahnte.
    Er hatte den höchsten Preis für seine Taten bezahlt. Caroline fragte sich benommen, ob dieser Preis hoch genug war.
Nein
, dachte sie in Gedanken an das unaussprechliche Leid, das er Evie zugefügt hatte. Der Verlust seines erbärmlichen Lebens war nicht annähernd genug.
    »Ich kann es nicht glauben«, flüsterte sie. »Ich kann es einfach nicht glauben.«
    Max ergriff ihre Hand und drückte sie einmal sanft, um sie dann ganz festzuhalten. »Es ist vorbei, Caroline. Er kann dir nie wieder ein Haar krümmen.«
    »Ist er tot?«, fragte Tom vom Türbogen her, der das Wohnzimmer von der Küche trennte. Hochaufgerichtet und breitbeinig stand er da, die Arme vor der Brust verschränkt. Er war kräftiger geworden, breitschultriger, insgesamt größer.
    Caroline drehte den Kopf und sah ihm in die Augen. In seine kalten, harten Augen. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst. »Tom.«
    »Ich habe dich etwas gefragt, Mom. Ist er tot?« Er sprach jedes einzelne Wort mit besonderer Betonung aus.
    Caroline verkrampfte innerlich aus Angst vor seiner Reaktion. Aus Angst, er könnte jubeln und triumphierend die Faust in die Luft recken. Sie wollte nicht, dass er weinte, nicht mal, dass er trauerte. Aber sie wollte auch nicht, dass er den Verlust eines weiteren Lebens feierte. »Ja«, antwortete sie ruhig.
    Er ließ die Schultern hängen, rührte sich aber ansonsten nicht vom Fleck. Seine Hände umklammerten seine Oberarme, und seine trotzige Haltung wandelte sich zu einer trostbedürftigen. Sein Kopf sank nach vorn, bis sein Kinn die Brust berührte.
    Max erhob sich mühevoll und wandte sich mit besorgtem Blick an Tom. »Tom?«
    Caroline hob den Blick und spürte heiße Tränen in den Augen. Max war genauso besorgt um die emotionale Gesundheit ihres Sohns wie sie selbst. Sie griff nach seiner Hand, und er umfasste sie, ohne den Blick von Toms niedergeschlagener Gestalt zu lösen.
    »Tom, sag was«, bat Caroline mit bemüht ruhiger Stimme.
    Ohne den Kopf zu heben, ergriff Tom das Wort. »Ich will so gern glücklich darüber sein, Mom.« Er schob die Schultern nach vorn und hielt den Kopf weiterhin gesenkt. »Verdammt noch mal.« Seine Stimme brach. »Ich wusste, dass er sterben würde. Ich wusste es. Ich habe davon geträumt, dem Glückspilz die Hand zu schütteln, der ihn in der Luft zerfetzte. Aber jetzt kann ich es nicht. Ich will glücklich sein, weil er tot ist. Aber ich kann es nicht.«
    Caroline blinzelte, und ihr Blick klärte sich. Toms Schultern bebten, doch er blieb immer noch wie angewurzelt unter dem Türbogen stehen. Isoliert und so furchtbar allein. Sie drückte Max’ Hand, ging zu ihrem Sohn, umarmte ihn und zog seinen Kopf an ihre Schulter.
    »Wie fühlst du dich dann?«, flüsterte sie. »Sag mir, wie du dich fühlst.«
    Toms gesamter Körper erschauerte, als er einen schweren Seufzer ausstieß. »Ich bin so …
sauer

    Caroline strich ihm tröstend über das Haar. »Sauer?«
    Tom nickte, sein Gesicht war an ihrem Hals begraben. »Ich bin so … sauer, dass er der war … der er war.«
    Caroline verstand seine Gefühle. »Weil er nicht der war, den du dir gewünscht hast?«
    Wieder nickte er. »Und ich bin sauer auf mich selbst.«
    Caroline hörte Max herankommen. Er legte die Arme um sie und ihren Sohn.
    »Sauer, weil du es nicht fertig bringst, glücklich über seinen Tod zu sein?«, fragte Max sanft. »Weil du im Augenblick glaubst, kein ganzer Mann zu sein, weil du so empfindest?«
    Tom hob den Kopf von Carolines Schulter und sah Max mit einer Mischung aus Staunen und Dankbarkeit an. »Woher …?«
    »Weil du der Sohn deiner Mutter bist«, antwortete Max schlicht. »Glücklich sein wäre im Moment einfach, aber nicht unbedingt richtig. Du hast darauf bestanden, dass er nicht dein Vater war. Der war er auch nicht. Um ein Vater zu sein, reicht es nicht, seine DNA zu spenden. Und um ein Mann zu sein, braucht es mehr als brutale Gewalt und den Pseudo-Mut eines Actionhelden aus
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