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Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Titel: Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
Autoren: Karen Rose
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lasse?«
    Sie drehte den Kopf, so weit ihr Hals es zuließ, und sah aus den Augenwinkeln die Hälfte seines Gesichts. »Klar, Schatz. David, würdest du Tom etwas zu essen besorgen?«
    Tom schüttelte den Kopf. »David, wir treffen uns in zehn Minuten in der Cafeteria. Ich muss zuerst mit Agent Thatcher reden. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich, Sir?«
    Caroline sah, wie Thatcher ihren Sohn nachdenklich musterte. »Klar, Tom. Gehen wir.«
     
    Steven folgte dem Jungen, der für ihn Robbie Winters gewesen war und der nun zielstrebig zum Ende des Flurs schritt. Tom Stewart war mit seinen vierzehn Jahren schon genauso groß wie Steven. In ein paar Jahren würde der Junge kräftiger und genauso groß und breit sein wie sein Vater. Stevens Wangenmuskeln spannten sich bei dem Gedanken an Rob Winters an, der ironischerweise zur Zeit in dem an Ben Jolleys angrenzenden Operationssaal lag. Ben Jolley wurde Rob Winters’ Kugel aus der Bauchhöhle operiert, während aus Winters’ Gehirn Knochenfragmente seines zertrümmerten Schädels entfernt wurden. Caroline Stewart hatte Rob Winters mit Hunters Stock den Schädel und die Jochbeine eingeschlagen. Ihn erfüllte eine grimmige Befriedigung, und er gab sich nicht die geringste Mühe, dieses Gefühl zu verdrängen.
    Tom blieb an einem Fenster stehen und blickte nach draußen. Steven wartete; er ahnte, was den Jungen beschäftigte. Tom biss die Zähne zusammen und starrte düster aus dem Fenster. »Wo ist er jetzt?«
    »Dein Vater?«
    Toms Hände ballten sich zu Fäusten. »Er ist nicht mein Vater. Wo ist er?«
    Steven zögerte. »Im Augenblick wird er operiert. Falls du ihn sehen willst – halte ich das für keine gute Idee.«
    »Ich will ihn nicht sehen. Bringen Sie ihn ins Gefängnis?«
    Steven nickte bedächtig. »Unter Vorbehalt der Ergebnisse des Verhörs, ja.«
    Eine Minute verstrich, und Steven wartete.
    »Werden Sie seine Identität geheim halten?«, wollte Tom schließlich wissen. Er sprach leise. Zu leise.
    Steven überlegte nur einen Augenblick. »Nein.«
    »Dann schafft er es nicht einmal bis zur Gerichtsverhandlung, nicht wahr, Sir?« Toms Stimme klang auf trügerische Weise sanft und stand im krassen Gegensatz zu der starren Haltung seiner Schultern.
    Steven fühlte sich durch die Andeutung des Jungen in die Defensive gedrängt. In erster Linie, weil ihm der gleiche Gedanke im Kopf herumspukte, seit Jonathan Lambert dem bewusstlosen, blutüberströmten Winters die Handschellen angelegt hatte. »Es ist die Pflicht der Polizei, jeden in Gewahrsam genommenen Delinquenten zu schützen, ganz gleich, wer er ist oder was er getan hat.«
    »Danach habe ich nicht gefragt, Sir.«
    Steven blickte lange und eindringlich auf Toms starren Rücken, dann schüttelte er den Kopf. Wenn überhaupt jemand ein Recht auf die Wahrheit hatte, dann waren es dieser junge Mann und seine Mutter. »Wenn die Gefängnisinsassen erst einmal herausgefunden haben, dass er vor zwei Wochen diesen Jungen zu Tode geprügelt hat? Dann wahrscheinlich nicht.«
    Tom entspannte sich sichtlich. »Gut.« Er drehte sich um und sah Steven in die Augen, und Steven erschrak über die kalte Abgeklärtheit in seinem Blick. »Ich hoffe, dass Detective Jolley wieder gesund wird, Sir, und dass Ihr kleiner Sohn nach allem, was heute passiert ist, nicht mit allzu vielen Problemen zu kämpfen hat. Und falls
er
vor Gericht gestellt wird, kommen wir zurück und sagen gegen ihn aus.« Er bot ihm die Hand.
    »Danke, Tom.« Steven schüttelte dem Jungen die Hand, als wäre er ein Erwachsener. »Dir und deiner Mutter wünsche ich ebenfalls gute Genesung.«
    Tom sah ihm fest in die Augen. »Ich danke Ihnen im Namen meiner Mutter für die guten Wünsche. Mir fehlt nichts.«
    Steven blickte Tom nach, als dieser zur Cafeteria ging. Sein Gang war eindeutig beschwingt, und Steven spürte, wie ihn selbst die Trauer einhüllte, unvermittelt und überwältigend. »Doch, dir fehlt was, Junge«, flüsterte er. »Dir fehlt ganz eindeutig etwas. Für lange Zeit wird keiner von uns behaupten können, dass ihm nichts fehlt.«
    Mit einem Seufzer machte Steven kehrt und strebte dem Wartezimmer der Chirurgie zu, um sich ein letztes Mal nach Ben Jolley zu erkundigen, bevor er seinen Sohn nach Hause brachte. Jolley hatte für seine Beihilfe zu Rob Winters’ Verbrechen Absolution gesucht, indem er sich selbst als menschlichen Schild zum Einsatz brachte. Nicky war gerettet. Steven hoffte, dass Ben Jolley überlebte, um die gewünschte
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