Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eisberg

Titel: Eisberg
Autoren: Clive Cussler
Vom Netzwerk:
immer noch undurchdringlich vor Anspannung, doch seine Augen verrieten völlige Verständnislosigkeit. Pitt warf die Maske von sich und nahm all seine Energien zusammen. Der Augenblick, auf den er so lange gewartet und den nie zu erleben er insgeheim befürchtet hatte, war da. Langsam wickelte er mit einer Hand seinen Gesichtsverband ab; Stück um Stück ließ er die Gazestreifen zu Boden fallen. Die Spannung stieg ins Unermeßliche. Als er fertig war, sah er Rondheim fest in die Augen und trat einen Schritt zurück. Rondheims Lippen öffneten sich zu einer halb ausgesprochenen Frage, und ratloses Staunen spiegelte sich in seinen Zügen.
    »Es tut mir leid, daß Sie sich nicht an mein Gesicht erinnern können, Oskar«, erklärte Pitt leise. »Aber Sie haben auch nicht viel davon übriggelassen, das man wiedererkennen könnte.«
    Rondheim starrte auf die zugeschwollenen Augen, die aufgerissenen Lippen, die Nähte, mit denen man Wangen und Augenbrauen zusammengeflickt hatte, dann klappte sein Mund auf, und er flüsterte heiser: »Pitt.«
    Pitt nickte.
    »Das ist nicht möglich.« Rondheim schnappte nach Luft.
    Pitt lachte. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, daß ich Ihnen den Tag verdorben habe. Aber mir geht es darum, zu beweisen, daß Computer auch nicht mit hundertprozentiger Zuverlässigkeit arbeiten.«
    Rondheim sah Pitt haßerfüllt an: »Und die anderen?«
    »Mit einer Ausnahme sind sie alle am Leben und kurieren ihre Knochenbrüche aus, die Sie ihnen so großzügig zugefügt haben.« Pitt blickte Rondheim über die Schulter und sah, daß das Ausflugsboot gerade sicher in die nächste Halle einfuhr.
    »Dann müssen wir die Sache wieder unter uns allein austragen, Major. Die Chancen stehen jetzt allerdings günstiger für Sie als damals in der Turnhalle. Aber machen Sie sich nicht allzu viele Hoffnungen.« Die Andeutung eines grausamen Lächeln umspielte Rondheims schmale Lippen. »Tunten sind keine Gegner für einen Mann.«
    »Sie haben recht«, erwiderte Pitt. Er schleuderte das Beil ins Wasser und trat einen Schritt zurück. Er sah prüfend seine Hände an. Er mußte die Angelegenheit jetzt hinter sich bringen.
    Er holte ein paarmal tief Luft und knetete ein letztes Mal seine Finger warm. Er war bereit.
    »Ich habe Sie ein bißchen in die Irre geführt, Oskar. Runde eins war ein ungleicher Kampf. Sie hatten sämtliche Vorteile auf Ihrer Seite. Aber wie stark sind Sie, wenn Sie allein sind, Oskar, ohne bezahlte Helfershelfer, die Ihr Opfer festhalten? Wie überlegen sind Sie, wenn Sie auf fremdem Boden kämpfen?«
    Rondheim fletschte die Zähne. »Ich brauche niemanden, um Sie fertigzumachen, Pitt. Ich bedaure bloß, daß ich nicht genügend Zeit habe, Ihre nächste Lektion in Schmerzen so in die Länge zu ziehen, wie es Ihnen zukäme.«
    »Okay, Oskar. Schluß jetzt, komm her, du Maulheld!« erwiderte Pitt. Er wußte genau, was zu tun war. Natürlich, er war immer noch geschwächt und eigentlich zu Tode erschöpft; doch das wurde durch seine Disziplin und die unsichtbaren Gestalten von Lillie, Tidi, Sam Kelly und den anderen mehr als wettgemacht. Sie alle standen unsichtbar neben ihm und verliehen ihm eine Kraft, die er von sich aus nie aufgebracht hätte.
    Ein selbstsicheres Lächeln glitt über Rondheims Gesicht, als er seine Karatestellung einnahm.
    Doch er lächelte nicht lange. Pitt versetzte ihm einen rechten Haken, einen hervorragend gezielten Schlag, der Rondheims Kopf zur Seite fliegen und gegen den Großmast des Piratenschiffes krachen ließ.
    Insgeheim wußte Pitt, daß er kaum einen langen Kampf mit Rondheim überstehen würde; er mußte ihn in wenigen Minuten beenden. Doch er baute auf den Überraschungsmoment, seinen einzigen Vorteil, bevor die Karateschläge wieder auf sein Gesicht niederprasseln würden. Freilich stellte sich bald heraus, daß das nur ein kleiner Vorteil war.
    Rondheim war unglaublich zäh. Er hatte einen schweren Schlag eingesteckt; doch er war gleich wieder auf den Beinen. Er federte vom Mast zurück und schlug nach Pitts Kopf. Mit knapper Not vermochte sich Pitt wegzuducken. Seinen Fehlschlag mußte Rondheim büßen.
    Pitt erwischte ihn mit ein paar linken Geraden und einer weiteren harten Rechten.
    Rondheim ging in die Knie und hielt sich eine Hand vor seine gebrochene, blutende Nase.
    »Du bist besser geworden«, stieß er heiser hervor.
    »Ich habe dir ja gesagt, daß ich dich getäuscht habe.« Pitt stand halb in Box- und halb in Judostellung da und wartete auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher