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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis
Autoren: Majgull Axelsson
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wischt sich mit dem Verband den Mund ab und sieht sie an. Zeigt sein breitestes Lächeln. Schenkt sich das Bierglas noch einmal mit Rotwein voll.
    Es ist so weit. Susanne weiß es. Heute Nacht wird es geschehen.
    Sie beugt sich vor und legt John eine Hand auf den Arm. Sein Hemdsärmel ist hochgekrempelt, sein graues Haar kitzelt in ihrer Handfläche.
    »Jetzt bringe ich dich nach Hause«, sagt sie.
    Er leert sein Bierglas und schüttelt langsam den Kopf.
    »Manchmal bist du wirklich ein merkwürdiger Mensch, Susanne.«
    Sie steht auf und hält ihm lächelnd die Hand hin. Er fasst sie an. Und so gehen sie Hand in Hand zur Tür. Wie ein Paar auf dem Weg in dieselbe Kabine. Susanne dreht sich kurz um, als sie über die Schwelle treten, sieht, wie Robert ihnen nachschaut.
    Ja. Heute Nacht ist es so weit. Heute Nacht kommt er.

Dennoch kommt sie sich ziemlich lächerlich vor, als sie in der Besenkammer hockt und versucht, das Gleichgewicht zu halten. Was gar nicht so einfach ist. Sie hat einen hellblauen Plastikeimer umgedreht und sich auf ihn gesetzt, aber er will nicht stillstehen. Er rutscht die ganze Zeit zur Seite, folgt den Bewegungen des Schiffes, nicht viel, aber es genügt, dass sie die ganze Zeit aufpassen muss. Im Dunkeln tastet sie nach dem Nirosta-Waschbecken. Es war doch ein Waschbecken hier drinnen? Doch, ja. Sie weiß es. Sie kann sich erinnern. Und tatsächlich, da ist es endlich. Jetzt kann sie sich im Sitzen am Waschbecken festhalten. Dann rutscht sie nicht mehr. Dann wird sie nicht umfallen.
    Um sie herum ist es ganz schwarz. Vollkommen dunkel. Nicht ein einziger Lichtstrahl vom Gang draußen dringt herein, nicht das kleinste Photon glänzt und leuchtet. Die Augen werden sich nicht an diese Dunkelheit gewöhnen, ihre geweiteten Pupillen werden nichts vom Innenleben der Besenkammer erkennen können. Die Finsternis ist verschlossen. Abgesperrt. Lautlos. Und in dieser Finsternis sitzt sie auf einem umgedrehten Eimer und wartet auf Robban. Auf den Mann aus der Vergangenheit. Den Mann, der regelmäßig in ihre Kajüte eindringt und sich wie ein Idiot benimmt. Den Mann, der sie außerdem dazu gebracht hat, sich selbst wie ein Idiot zu benehmen.
    Trotzdem steht sie nicht auf. Trotzdem öffnet sie nicht die Tür und tritt nicht auf den Flur hinaus. Trotzdem geht sie nicht die vier kleinen Schritte bis zu ihrer Kabine. Nein, sie bleibt auf ihrem Eimer sitzen, hält sich an dem Stahl-Waschbecken fest und lauscht. Das Herz der Oden schlägt langsam und deutlich. Bum. Bum. Bum. Das ist das Einzige, was sie hört. Sie kann nicht das Brechen und Knacken des Eises da draußen hören, nicht die Musik unten aus der Bar, keine Stimmen, kein Lachen von Leuten, die auf der Treppe aneinander vorbeieilen, auf dem Weg zur Brücke hinauf oder von ihr hinunter. Nur das. Bum. Bum. Bum.
    Doch halt. Jetzt hört sie etwas. Schritte. Jemand geht mit schweren Schritten über den Flur. Bleibt stehen. Öffnet eine Tür. Geht hinein. Schließt die Tür. Kurz darauf hört sie Musik. Sie atmet auf. Das muss Magnus oder Ola gewesen sein. Ihr steigen vor Erleichterung fast Tränen in die Augen. Magnus oder Ola, zumindest einer von ihnen wird in der Kabine sein, wenn er kommt.
    Sie werden kommen, wenn sie ruft. Dessen ist sie sich ganz sicher. So gut wie sicher.
    Das Schiff krängt. Wodurch sie fast wieder die Balance verliert, schnell steht sie auf, aber ohne das Waschbecken loszulassen, klammert sich weiter daran fest. Sie schüttelt den Kopf, als sie sicher steht, blinzelt und fährt sich dann mit beiden Händen über das Gesicht. Ist sie eingeschlafen? Ja. Sie muss eingeschlafen sein, sie muss auf dem umgedrehten Eimer sitzend eingeschlafen sein, aber sie weiß nicht, wie lange. Vermutlich nur ein paar Minuten, aber trotzdem …
    Vielleicht sollte sie aufgeben. Sie ist müde und durstig, traurig und möchte nichts lieber als aufgeben, sie tastet schnell nach dem Waschbecken, während sie überlegt, Für und Wider abwägt, findet das kühle Metall. So soll das Leben nicht sein, denkt sie schnell. Das darf man nicht tun! Ihre Hand sucht nach dem Wasserhahn, findet ihn, während sie sich selbst antwortet. Das ist mein Leben, das ist traurig, aber wahr, und wenn ich jetzt nichts tue, dann wird er nur immer so weitermachen, und weiß Gott … Sie greift nach dem Hahn, macht sich bereit, ihn aufzudrehen, sich vorzubeugen und die Hände mit kalter Nässe zu füllen. Zu trinken. Bis der Durst gelöscht ist.
    Da hört sie es. Das Geräusch
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