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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis
Autoren: Majgull Axelsson
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Reling, sieht, wie sie zwischen zwei Eisblöcke rutscht und sofort vernichtet wird. Sie steckt die Hand in die Tasche, holt das Zigarettenpäckchen heraus und wirft es hinterher. Sie hat vor, nie wieder zu rauchen.
    Aber ansonsten weiß sie ganz genau, was sie noch vorhat.

Sie lässt ein paar Tage verstreichen. Und einige Nächte. Zeit ist das Einzige, was sie hat. Plus, natürlich, ein paar alte, etwas abgenutzte Verführungskünste.
    Anfangs kommt sie sich etwas lächerlich vor, als sie John diesen Künsten aussetzt, doch sie tröstet sich damit, dass er gern mitmacht, dass er mit so einem Schwung in ihren Armen landet, dass sie fast umgeworfen wird. Sie windet sich ein wenig unter seinen ersten Küssen, es ist ihr etwas peinlich, dass sie so berechnend ist, aber sie kann nicht mehr zurück, und nach einer Weile in seiner Koje verschwindet die Scham. Das Herz schlägt schneller, ein Kloß kommt ihr in den Hals, und sie vergisst, worauf sie aus war, lässt nur ihre Lippen und Hände über seinen weichen Hals, seinen warmen Rücken, seinen behaarten Bauch fahren, presst sich dicht an ihn und will unter seine Haut gleiten … Lächelt danach, als er dicht neben ihr eingeschlafen ist, liegt schweigend lächelnd da und kann im Zwielicht seiner Kabine sehen, dass er seine Kleidung in einem unordentlichen Haufen auf den Boden geworfen hat. Welch ein Glück, dass er nicht heiraten will. Und welch ein Glück, dass er sie trotzdem hierhaben will, dicht bei sich, jede Nacht.
    Als der Morgen kommt, gehen sie gemeinsam hinunter in die Messe, lassen alle sehen und begreifen, dass sie ein Paar geworden sind. Setzen sich beim Frühstück einander gegenüber. Wie auch beim Mittag- und Abendessen. Bekommen immer häufiger Gesellschaft von Anders und Ulrika, die sich als das zweite ältere Paar an Bord etabliert haben. Von den jüngsten Frauen aus der Forschergruppe kassieren sie das eine oder andere gerührte Lächeln, aber mit dieser Erniedrigung kann Susanne leben. Ulrika hingegen ist nicht ganz so nachsichtig, und nach ein paar scharfen Kommentaren ihrerseits ist Schluss mit den gerührten Blicken.
    Abends sitzen John und Susanne in der Bar und trinken ein Glas Wein. Oder vor dem Video und sehen einen Film. Drehen zum Abschluss eine Runde auf dem Schiff, gehen Arm in Arm vom Seitendeck nach achtern, bleiben dort ein, zwei Minuten lang stehen und betrachten die Eiswälle, die sich hinter dem Schiffsrumpf aufbauen – John seufzt schwer und erklärt die Probleme, die der »Fisch« hat –, gehen dann weiter das andere Seitendeck entlang, die Treppe hinauf und stellen sich jeder auf einen Tritt am Bug. Schauen sich um. Sehen die kleinen braunen Inseln und die weißen Eisflächen, halten das Gesicht in den abendlichen Wind oder Nieselregen, legen schließlich die Arme wieder umeinander und gehen hinein. Manchmal lehnt Susanne ihren Kopf an Johns Brust, wenn sie am Labor vorbeigehen. Damit Robert auch wirklich sieht und begreift, dass sie auf dem Weg in Johns Kajüte sind, zu einer weiteren Liebesnacht.
    Ihre eigene Kajüte bleibt unbewohnt. Ab und zu geht sie hinein, um zu duschen, die Kleidung zu wechseln und ein wenig auf ihrem Computer zu schreiben. Wenn sie wieder hinausgeht, macht sie jedesmal in der Tür kehrt und schaut sich um, prägt sich alles genau ein. Wie die Koje aussieht, wo der Computer steht, wo das Buch liegt, das sie vorgibt zu lesen. Wenn sie zurückkommt, wird sie wieder hier stehen bleiben und vergleichen. Hat jemand die Koje berührt? Den Computer bewegt? Das Buch umgedreht? Aber bisher ist es nicht passiert. Noch ist er nicht gekommen.
    Robert folgt ihr mit Blicken, das weiß sie jetzt. Er hat nachgedacht über die Ähnlichkeit zwischen einer Pantomime, die er vor Kurzem aufführte und einer, die er vor langer, langer Zeit vorgeführt hat, und er fragt sich, ob sie wohl begriffen hat, wer er ist. Wenn sie morgens am Konferenztisch des Kapitäns sitzt, wandert sein Blick die ganze Zeit zu ihr. Sie tut so, als merkte sie es nicht. Wenn sie sich beim Treffpunkt entgegenkommen, jeder aus seiner Richtung, lächelt sie ein unverbindliches kleines Lächeln und nickt, als wäre er ein Fremder, wer auch immer, lässt ihn nicht im Geringsten ahnen, dass sie seinen Schritten lauscht und weiß, dass er gleich stehen bleiben, sich umdrehen und ihr nachschauen wird. Und wenn sie sich auf dem Gang begegnen, auf dem Flur, an dem sie beide ihre Kabine haben, dann schlüpft sie nur vorbei und macht eine nichtssagende Bemerkung
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