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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis
Autoren: Majgull Axelsson
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vor sich hin zu murmeln. Anfangs dachte sie, er wäre manisch, aber jetzt hat sie sich ein paarmal mit ihm unterhalten und weiß, dass er ziemlich zögerlich und nachdenklich sein kann. Er ist einfach zu sehr damit beschäftigt zu schauen, sodass es den Anschein hat, als hätte er die Fähigkeit zu hören verloren. Bereits am dritten Tag hat sie aufgehört, ihm zu berichten, was am Tisch des Kapitäns gesagt wurde, denn er schaute so verwirrt drein, wenn sie es versuchte, dass ihr klar wurde, dass er die Morgenbesprechungen bereits vergessen hatte. Inzwischen nickt sie ihm nur vage lächelnd zu, wenn sie sich draußen auf Deck begegnen oder zufällig in der Messe am selben Tisch sitzen.
    Vielleicht sollte sie auch aufhören, zu diesen Morgenbesprechungen zu gehen. Hat sie doch nie etwas zu sagen, und es kommt immer häufiger vor, dass sie die Konzentration verliert und nicht mehr hört, was die anderen sagen. Stattdessen lässt sie den Blick über die Runde schweifen und verweilt bei jedem Gesicht. Ist es einer von ihnen? Dieser blasse Chemiker, der jedes Mal errötet, wenn er angesprochen wird? Oder Sture, der Meteorologe, der immer mit verschränkten Armen dasitzt, als erwarte er, persönlich für Nebel und hohen Seegang angeklagt zu werden? Könnte es dieser Dozent sein, der sein langes Haar zu einem grauen Pferdeschwanz gebunden hat und dessen Namen sie sich einfach nicht merken kann? Oder ist es Fredrik mit seinen braunen Augen, der immer zwischen kontroversen Meinungen vermittelt und mit Kompromissvorschlägen kommt, ein geborener Diplomat, wie geschaffen zum Steuermann?
    Nein. Das kann sie nicht glauben. Warum sollte einer dieser Männer, die jeden Morgen um den Konferenztisch des Kapitäns sitzen, in ihre Kabine gehen und seine Spuren hinterlassen wollen? Sie kennt keinen von ihnen und weiß nichts über sie, sie kennen sie nicht und wissen nur das von ihr, was in den Zeitungen stand, wenn überhaupt. Und die Frauen an dem Tisch? Kann man sich überhaupt vorstellen, dass eine fröhliche, muntere Professorin wie Ulrika auf die Idee kommen könnte, in der Unterwäsche eines anderen Menschen herumzuwühlen? Oder dass so eine ruhige Nette wie Katrin, die fünf Sprachen spricht und in Physik wie auch in Chemie promoviert hat, mit einem heimlichen Hass hinter der freundlichen Fassade herumläuft? Ganz zu schweigen von Jenny, der Vertreterin der jungen Doktoranden, die mit großem Ernst jedes einzelne Wort aufschreibt, das gesagt wird, aber schon aus geringstem Anlass wie ein Schulmädchen kichert?
    Nein, das ist nicht möglich. Es kann niemand von ihnen sein. Aber dennoch steht fest, dass jemand im Laufe des Abends in ihrer Kabine gewesen ist. Das Fenster ist geschlossen. Die Tür zur Toilette steht sperrangelweit offen. Als sie die Kabine verlassen hat, um in die Bar zu gehen, war es umgekehrt. Aber mitten in all ihrer Furcht keimt ein Fünkchen Schadenfreude. Die offene Tür besagt, dass er im Badezimmer war. Also hat er ihre Nachricht erhalten. Endlich.
    Vorsichtig schaut sie durch die Türöffnung. Der Klodeckel ist hochgeklappt. Ebenso die Brille. Also ein Mann. Der Duschvorhang ist vorgezogen, die weiße Folie mit den blassgelben Blumen leuchtet im Dämmerlicht der Nacht, der Seegang lässt ihn wie ein Rapsfeld im Sommerwind schwanken. Aber das ist eine Bewegung, die auch gut etwas anderes verbergen könnte. Jemand könnte hinter dem Vorhang stehen und auf sie warten, bereit …
    Blödsinn. Wer immer es auch ist, er ist ein Feigling und ein Waschlappen, und sie denkt gar nicht daran, sich von seinen idiotischen Einfällen ins Bockshorn jagen zu lassen. Deshalb macht sie einen Schritt in den Raum, noch bevor sie zu Ende gedacht hat, zieht den Vorhang zur Seite und stellt fest, dass die Dusche leer ist. Erleichterung überfällt sie, sie spürt, wie ihr die Knie weich werden, und muss sich gegen die Wand lehnen, während sie ausatmet. Es dauert ein paar Sekunden, bevor sie sieht, dass die Wand an ihrer Schulter streifig ist, dass ein gelbbrauner Strich über die beigefarbene Oberfläche verläuft, ein klebriger Streifen, der vorher nicht dort gewesen ist. Dieses Ekelschwein! Ohne nachzudenken zieht sie sich den Pullover aus und wirft ihn durch die Türöffnung in den Raum. Sie will ihn später in der Nacht über Bord werfen, es reicht nicht, ihn zu waschen, sie will niemals wieder etwas an ihrer Haut spüren, das überhaupt nur in Berührung gekommen ist mit diesem widerlichen …
    Sie umschlingt sich mit den
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