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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder
Autoren: Betty McDonald
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Rat?)
    5.    Wenn Sie eine leichte Erkältung bekommen, bleiben Sie im Bett, bis sie völlig vorüber ist. Wenn irgendwelche Symptome auftreten, sollte ein Arzt zugezogen werden.
    6.    Essen Sie gut ausgewogene Mahlzeiten in regelmäßigen Abständen.
    7.    Falls Sie Auswurf haben, treffen Sie, selbst wenn er negativ ist, die gleichen Vorkehrungen wie im Sanatorium. (Ach bitte, laßt mich einmal auf den Boden spucken, nur ein einziges Mal!)
    8.    Eine Frau, die Tuberkulose gehabt hat, muß eine Schwangerschaft verhüten, wenn der Arzt nicht anders entscheidet. (Wenn möglich nach der Hochzeit.)
    9.    An Belustigungen und Unterhaltung darf nur in beschränktem Umfange teilgenommen werden.“
    Der Brief schloß mit Bemerkungen über Rückfälle und warnte mich, daß ich bald zur ewigen Ruhe eingehen würde, wenn ich mich beim Spiel nicht an die Regeln hielte. Ich war erst wieder leicht beruhigt, als ich erfuhr, daß Sheila und Kimi gleiche Briefe bekommen hatten.
    Zunächst hatte ich keine Neigung, alte Freundschaften wieder anzuknüpfen, und unterhielt eine ausgedehnte Korrepondenz mit meinen Sanatoriumsfreunden. Ich hing an Sheila und Kimi, als seien wir alle Aussätzige und versuchten, unter Leuten ohne Aussatz zu leben. Sheila entzog sich uns nach den ersten Wochen und war ganz verständlicherweise an ihrer bevorstehenden Hochzeit interessiert. Kimi und ich klebten zusammen. Sie kam häufig zu uns, und wir gingen im Park spazieren und unterhielten uns über den Fichtenhain, Miß Zehenschoner und die Patienten.
    Kimi erzählte, daß sie sehr einsam und unglücklich sei, daß ihre früheren Freunde sie behandelten, als sei sie furchtbar ansteckend, und daß Jungens, die früher bloß zu klein für sie gewesen wären, jetzt „Würmchen“ seien, verglichen mit ihr. Ich versuchte sie mit Geschichten aus meiner einsamen, unglücklichen Mädchenzeit aufzuheitern. Erzählte, wie man mich auch ohne Tuberkulose immer links liegengelassen hätte. Nachdem wir das dritte Kapitel von „Der einsame Wolf“ durchgenommen hatten, einmal in der Grundschule, dann in der höheren Schule und auf der Universität, sagte Kimi: „Jetzt ist genug gelogen. Halten wir uns an die Tatsachen. Früher war ich ausgelassen und hatte viele Freunde. Jetzt bin ich überempfindlich. Bei allem und jedem bin ich gekränkt, und nichts macht mir Freude. Ich bin abscheulich zu meiner armen Mutter und meinem Vater und zanke mich unentwegt mit meinem Bruder und meiner Schwester. Nur wenn ich mit Ihnen über die alten Zeiten im Sanatorium spreche, bin ich glücklich.“ Ich sagte ihr, daß ich überzeugt sei, dies alles gehöre zum Übergang aus dem einen Leben in das andere, aber ich war längst nicht so sicher, wie es klang, denn ich wußte, daß ich dick und fett geworden war, weinerlich und der Inbegriff alles dessen, wovor uns das Sanatorium gewarnt hatte.
    Dann lud mich meine Schwester Mary ein, sie mit Anne und Joan in ihrem Sommerlager auf den San Juan Inseln zu besuchen. Wir fuhren eines stillen Sommermorgens kurz nach fünf los, meilen- und meilenweit durch reiche, gut gehaltene Farmen, tiefe Wälder und an felsigen Küsten entlang. Das Lager, eine Gruppe kleiner, silbergrauer Hütten, lag in einer tief ausladenden Bucht mit sandigem Strand, Sanddünen und Sandbänken, die mit Muscheln, Seetieren, Treibholz und Achaten bedeckt waren. Wir kochten und aßen alle Mahlzeiten im Freien, und abends nach dem Essen zündeten wir Strandfeuer an, brieten Eibischwurzeln und beobachteten, wie die Sonne leuchtend hinter der Meerenge von Juan de Fuca verschwand und der Mond über den kleinen, tanzenden Lichtern der Fischerflotte aufging.
    Die Hüttenwände waren mit Zedernholz verkleidet, und innen roch es nach kaltem Schinkenrauch, salziger Luft und Schindeln. Beim An- und Ausziehen standen Anne, Joan und ich vor einem kleinen Ofen, der keinen Zug hatte, knatterte, spie und in der Mitte glühte. Die Betten waren hart und die Matratzen klumpig, aber durch die Fenster konnten wir hören, wie sich die struppigen Fichten über den Wind beklagten und die Brandung auf- und abschwoll. Drinnen floß die Kerze auf ihren Leuchter, und die Atemzüge der Kinder klangen tief und ruhig. Nach einem Tag hörte ich auf, vom Sanatorium zu träumen.
    Vor dem Frühstück wanderte ich mit meiner kleinen Nichte Marie, Anne und Joan über die Dünen in die „Farm“, zum Milchholen. Wenn wir so in der Morgensonne dahingingen, das kurze Strandgras unter den
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