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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder
Autoren: Betty McDonald
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begeistert davon. „Warst du nicht in einem Tuberkulose-Sanatorium?“ fragte sie mich durch einen schmalen Spalt in der Tür. „Erst am 12. Juni ist sie rausgekommen,“ sagte Mary und sah mich stolz an. Das Kind aus der Klasse entschuldigte sich für einen Augenblick und schlug uns die Tür vor der Nase zu. Der Tag war warm, aber doch nicht warm genug, als daß sie uns so lange im Eingang hätte stehen lassen können, wie sie es tat. Als sie uns einige Zeit später hereinließ, brachte sie Kaffee und etwas zu essen, aber wir aßen schnell und bei einem so verheerenden Lärm, daß eine Unterhaltung unmöglich war. Unschwer ließ sich feststellen, daß sie, während wir im Eingang warteten, ihre Kinder zusammengeholt und irgendwo in einem Hinterzimmer eingeschlossen hatte, wo sie die ganze Zeit trampelten, schrien, an die Tür schlugen und verlangten, daß man sie herausließ.
    Als wir fortfuhren, sagte Mary: „Daß du nicht auf den Gedanken kommst, da noch mal hinzugehen und bei ihr zu wohnen, und wenn sie dich noch so bittet. Sag ihr einfach, daß sie zu weit draußen auf dem Land lebt und du Verkehr brauchst.“ Ich lachte, war aber beunruhigt. Was, wenn ich mich um eine Stelle bewarb und jemand im Büro sich verhielt wie Das Kind aus der Klasse? Ich fragte Kimi, ob sie irgendwelche so unerfreulichen Erfahrungen gemacht hätte. Sie sagte: „Oje, ja. Manchmal warten sie nicht mal, daß ich aus dem Haus bin, bevor sie die Flitspritze rausholen und alles gründlich besprengen, was ich angefaßt habe.“
    Am 1. September wurde Pixie entlassen und kam eines Abends auf dem Heimweg vom Sanatorium um 7 Uhr 30 vorbei. Ich machte eine große Kanne Kaffee, und wir tranken sie ganz aus, während wir uns unterhielten. Sie erzählte mir, daß die Oberschwester honigsüß und voller Verständnis aus ihrem Urlaub zurückgekommen sei, daß aber eine von den netten jungen Schwestern Miliar-Tuberkulose bekommen hätte und gestorben wäre; daß Katy Morris Tb hätte und in der Bettlägerigen-Station läge; daß Eileen wieder einen Blutsturz gehabt hätte; daß Kate und Evalee auch entlassen seien und der Chefarzt Evalee erlauben wolle, die Kinder noch einen oder zwei Monate im Sanatorium zu lassen; daß Marie in der Ambulanten-Station sei und Sylvia acht Stunden auf sein dürfte. Ich fragte nach Delores, und Pixie meinte, sie hätte keine Lust, mein Wohnzimmer mit Unterhaltungen über jemand so Ordinäres zu verpesten. Ich überlegte, daß es interessant sein müßte, zu hören, was Delores über Pixie zu sagen hätte, sprach das aber nicht aus.
    Pixie sah sehr niedlich aus und sagte, der Arzt hätte ihr erlaubt, sofort mit der Arbeit anzufangen; auf dem Heimweg wollte sie sich um ihre alte Stelle kümmern. Wir schieden herzlich und mit dem Versprechen, uns bald wieder zu sehen. Damit verschwand sie.
    Ihre Begeisterung steckte mich an, und als sie gegangen war, begann ich sofort, mir eine Ausrüstung zusammenzusuchen, mit der ich auf Stellenjagd gehen konnte.
    Am nächsten Morgen war ich sehr mutlos und kam mir, wenn auch sauber, so doch ärmlich vor. In diesem Gefühl bestieg ich die 10-Uhr-30-Straßenbahn mit den eleganten und gepflegten Damen aus der Vorstadt, die zum Einkauf fuhren. Ich duckte mich ziemlich weit vorn in eine Ecke und hielt mir immer vor, daß mir meine ausgeheilte Tb ja nirgends aufgedruckt sei. Dann fuhr die Straßenbahn kurz vor dem Zentrum durch einen ziemlich ärmlichen Stadtteil, und wer mußte einsteigen? Ausgerechnet Coranell Planter, die Beschäftigungstherapie-Lehrerin für die Bettlägerigen.
    Sie sah mich sofort und schrie los: „Herrgott, Betty, Sie sehen aber blendend aus! Viel besser als damals, wie Sie aus dem Sanatorium rauskamen. Und dick sind Sie auch ! Ha, ha, ha!“ Ich spürte Hunderte von neugierigen Blicken auf mir, kauerte mich in die Ecke und murmelte: „Sie sehen auch gut aus.“ Coranell brüllte: „Was haben Sie gesagt, Mädel? Bei dem Lärm versteh ich kein Wort.“ Ich wiederholte: „Sie sehen auch gut aus,“ und sie sagte: „Fühl mich auch prächtig. Ganz prächtig. Haben Sie gehört, daß Minna die Niere rausgenommen ist? Einfach aufgefressen von Tuberkulose. Gracie ist im dritten Stadium von der „Thoro“ und Bill Williams hat gerade wieder einen Blutsturz gehabt. Gott, der arme Kerl, hat ’ne schlimme Zeit hinter sich. Eileen hat auch noch einen Blutsturz gehabt. Wissen Sie, Kindchen, ich glaub nicht, daß die arme kleine Eileen sich da rausschlägt. Süßer kleiner
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