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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder
Autoren: Betty McDonald
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Füßen knirschte, die salzige Luft nach Kiefern duftete, das Zirpen der Heuschrecken die traurigen Schreie der Möwen begleitete, dann hielt ich die Kinder fester an der Hand und schob schnell den Gedanken beiseite, daß ich vor einer Woche noch in Miß Zehenschoners Werkstatt gesessen hatte.
    Nach zehn Tagen kehrten wir heim, beladen mit Achaten und ähnlichem, schlecht riechenden Muscheln, hübschen Steinen und fröhlichen Zukunftsplänen.
    Bald nach unserer Rückkehr brachte ich zum erstenmal einen Abend unter fremden Menschen und in einer Wohnung zu. Der Abend war nicht besonders warm, das Zimmer stickig und die Luft roch, als sei sie mit der Wohnung gemietet worden. Jeder einzelne sah sehr müde aus und schien mir überdreht und krampfhaft bemüht, vergnügt zu sein.
    Nach der ersten Stunde sah auch ich müde aus und war überdreht und versuchte krampfhaft, vergnügt zu sein, denn die Wohnung war auf 30 Grad geheizt, in der Luft kein Atom Sauerstoff mehr, und ich war dick und mein Blut an eine Temperatur von mehr als 11 Grad nicht gewöhnt. Ich hustete ein paarmal tuberkulös, aber das brachte mir nichts anderes ein als ein weiteres Glas Alkohol. Gegen 11 Uhr, als mir das Bewußtsein tatsächlich zu schwinden begann, taumelte ich durch das Zimmer, murmelte Entschuldigungen, schob das Fenster fünf Zentimeter in die Höhe und öffnete die Tür in die Diele. Meine Wirtin fröstelte ein paarmal, versetzte mir dann einen vorwurfsvollen Blick, verschwand und holte kleine Fußsäcke und Jäckchen für die Damen. Die Männer zuckten mit den Schultern, guckten, wo es zog, und rückten in geschützte Winkel. Als ich nach Hause kam setzte ich mich auf die Veranda, sog die frische Luft in tiefen, belebenden Zügen ein und fragte mich, wie ich jemals in der Lage sein sollte, das Arbeiten in einem heißen, stickigen Büro auszuhalten.
    Im Juli verreiste Mutter für einen Monat auf das Landgut einer Freundin, und ich übernahm den Haushalt. Ich stellte fest, daß sich meine Lebensgeister bei harter Arbeit und Betätigung wieder regten, aber aus Angst, daß ich „mich übernommen“ hätte, ging ich voller Besorgnis zur Auffüllung meines Pneumothorax. Der Arzt pumpte neue Luft ein und sagte mir, daß ich in ausgezeichnetem Zustand sei und täglich zwölf Stunden auf sein dürfte.
    Gegen Ende der Woche ging ich zu einem Mittagessen in einem Klub und war wie vor den Kopf geschlagen, weil alle anderen wie vor den Kopf geschlagen waren davon, daß sie wahrhaftig mit einem eben zurückgekehrten Aussätzigen zusammensaßen. Während des Essens wurden mir viele Fragen gestellt, über die genauen Symptome, die Lokalisierung des ersten Schmerzes usw.; und bevor der Nachmittag zu Ende ging, war ich ziemlich sicher, verschiedene versteckte, aber weit fortgeschrittene Fälle von Tb entdeckt zu haben.
    Als ich nach Hause kam, rief Sheila an, um mir zu erzählen, daß zwei Patienten im Fichtenhain gestorben seien: das dreizehnjährige Mädel und ein Japanerjunge, den Kimi kannte. Sofort rückten mir mein Ausflug an die See, das Mittagessen, die Haushaltspflichten weit, weit zurück, und ich tauchte kopfüber in der Welt des Sanatoriums unter. Ich rief Kimi ein und gab ihr die schlimmen Nachrichten weiter, und wir redeten und redeten über Patienten, die sterben würden, gestorben waren und sterben könnten. In der Nacht träumte ich wieder vom Fichtenhain und erwachte sehr früh mit der alten Depression auf meinem Gemüt.
    Da meine Zukunft ohnehin kurz und finster war, beschloß ich jede Minute mit Anne und Joan zusammen zu sein. Ich veranstaltete ein umfangreiches Picknick im Park, mit viel Sand, und lud dazu im Feuer meiner Begeisterung auch fünf ganz kleine Nachbarskinder ein, dazu meine eigenen beiden und alle Hunde. Anscheinend hatte ich während meiner Absperrung jeden Begriff von der Sorglosigkeit junger Dinger verloren, denn die Hunde liefen durcheinander, die Parkwächter wollten uns alle heraussetzen, die kleinsten Kinder gerieten völlig außer Rand und Band, lagen strampelnd und schreiend auf den Wegen, während die größeren in den Baumkronen verschwanden.
    Schließlich verließ ich den Park, an der einen Hand die drei Hunde, die auf ihren Hinterbacken rutschten, an der Leine hinter mir her zerrend, an der anderen drei kleine verweinte, schnaufende Jungen, die ich mit ihren Gürteln zusammengebunden hatte und an meinem Schal zog. Die vier anderen Kinder hatte ich zurückgelassen. Sollten sie weiter in den Bäumen ihren
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