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Einmal scheint die Sonne wieder

Einmal scheint die Sonne wieder

Titel: Einmal scheint die Sonne wieder
Autoren: Betty McDonald
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Hals riskieren. Während ich erbost nach Hause drängte, überlegte ich, ob das Sanatorium seine Patienten wohl deswegen ständig warnte, nach ihrer Rückkehr mit Kindern zusammen zu sein.
    Als sich herumsprach, daß ich wieder zu Hause sei, waren die Leute sehr freundlich und gaben für mich Gesellschaften; aber ich konnte immer weniger die Gewohnheit meiner Freunde vertragen, wenn sie mich sahen, zunächst loszuschreien, als sei ich ein Geist, und dann zu brüllen, daß ich zehn Jahre jünger aber so viel dicker aussähe! Mit der Zeit sagte ich alle Einladungen ab und forderte Sheila, Kimi und die liebe Sanatoriumsschwester Molly zum Essen auf, damit wir uns den Abend über vom Sanatorium und seinen Insassen unterhalten konnten. Ich erfuhr, daß Eileen immer noch nicht aufstehen durfte, daß Minna die Niere herausoperiert worden sei und es ihr gut ginge, und daß Kate, Delores, Pixie und mehrere andere kurz vor der Entlassung stünden. Kimi brachte mir einige Exemplare der Sanatoriumszeitschrift, und ich merkte beschämt, daß ich sie begierig verschlang.
    Ich bekam lange Briefe von Kate, die mir erzählte, daß Miß Gillespie mich beständig als eine schreckliche Gefahr des Massenaufruhrs in der Beschäftigungstherapie-Werkstatt hinstellte; daß sie selbst als so vertrauenswürdige Patientin gelte, daß ihr die Bibliothek übertragen worden sei und sie sogar den Bücherkarren durch die Männerstation schieben dürfe, ein Vorrecht, das weit überschätzt worden sei; daß fast alle für irgendeine Operation gestärkt würden; daß Delores und Pixie in offener Fehde lebten und die gesamte Ambulanten-Station, besonders die Männer, Partei ergriffen hätten. Sie schrieb, die Oberschwester drohe, alle herauszuwerfen und die Anstalt zu schließen.
    Kimi kam fast täglich zum Mittagessen und brachte uns allen reizende Geschenke mit. Sembi für die Kinder, einen hübschen Satz Schüsseln, kleine japanische Figürchen, seidene Schals und Taschentücher. Sie war sehr nervös und sagte, für sie gäbe es nirgends mehr einen Platz. Selbst zu Hause sei sie ein Störenfried. Ich erzählte ihr von meiner Empfindlichkeit, den Anfällen von finsterer Depression und der geheimen Angst, mich nach einer Stelle umzusehen. Davon, daß ich allmählich so von der Hausarbeit besessen sei, daß ich sogar den Briefkasten polierte und die Veranda wachste. Davon, daß ich den Kindern wieder nahezukommen versuchte und sie nur durch allzuviel Aufmerksamkeit, allzuviel ungeschickte Beteiligung an ihren Spielen langweilte.
    Zu jener Zeit verbrachten Anne, Joan und Annes beste Freundin Ermengarde die herrlichen Sommertage bei geschlossenen Fenstern und Türen in ihren Zimmern und spielten Sonja Henie. Anne und Ermengarde zogen abwechselnd ein altes graues Chiffonabendkleid und Alisons schwarze Hockeyschlittschuhe an, stolperten auf dem Linoleumboden herum und waren Sonja Henie. Aber Joan war immer Tyrone Power. Mit ihrem Cowboyhut, einem alten Clowngewand und Pumphosen, langen braunen Strümpfen und ihrem roten Gummimantel verfolgte sie Sonja auf einem angeblichen Rodelschlitten, einem angeblichen Ferris-Rad, einem angeblichen Pferd, holte sie dann schließlich auf dem Eis (oder Linoleumbelag) ein, immer in einer hilflosen, sehr unsicheren Arabeske, die sie zu der quietschenden Begleitmusik des Eiswalzers auf ihrem kleinen Grammophon ausführte. Ich sah der Vorstellung eines Tages sehr gegen ihren Willen zu und machte einige Vorschläge für die Kostüme. Sie fanden keinen Beifall. Joan sagte, ich wäre viel zu lange im Sanatorium gewesen und merkte offenbar gar nicht, daß sie genau wie Tyrone Power angezogen sei. Anne sagte, sie und Ermengarde wären genau so gekleidet wie Sonja Henie und liefen genau so Schlittschuh, und das könnten sie an Bildern beweisen.
    Wenn Joan andere Pläne hatte, verbrachten Anne und Ermengarde die herrlichen, sonnigen Sommertage in ihren Zimmern bei geschlossenen Fenstern und Türen und spielten Opernsängerin. Sie kauerten neben dem kleinen Grammophon und lauschten aufmerksam, wenn Alma Gluck sang: „Oh, lauscht der zarten Lerche,“ wieder und noch einmal. Dann erhob sich Ermengarde und sang das Lied, wobei Anne vom Fußboden aus in Kauerstellung soufflierte, und hinterher sang Anne und Ermengarde soufflierte. Das war zwar eine ganz harmlose Beschäftigung, nur war Ermengarde der Typ von Sängerin, der jedes einzelne Wort mit einer Geste begleitet. „Oh,“ sang sie mit drohend auf das Publikum gerichtetem
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