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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben
Autoren: Algis Budrys
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Straße war. Sie versuchte die vergleichsweise sicher erscheinende Verkehrsinsel zu erreichen, bevor sie gesehen wurde.
    Schon bevor es ihm klargeworden war, daß er sich nirgends verstecken konnte, hatte er zwei schnelle Schritte rückwärts gemacht, und bevor er sich etwas anderes überlegen konnte, war das Mädchen schon über die Straße geeilt. Dann hatte sie die Verkehrsinsel erreicht, und zum Nachdenken war keine Zeit mehr.
    Sie hatte ihn noch nicht gesehen. Sie war zu sehr auf ihre Sicherheit bedacht, um die Gefahr zu erkennen, bis er sich aus seinem instinktiven Kauern aufrichtete und sein Schrotgewehr gesenkt hatte. Ihr Mund öffnete sich, ihre Augen wurden verzweifelt, und er sah die unerwartete Pistole in ihrer andren Hand.
    „He!“
    Er brüllte vor Überraschung los, als er mit ausgestrecktem Arm nach vorn sprang. Er spürte den Schlag auf seinen Unterarm, als er ihr Handgelenk nach oben wegschlug, und dann hüpfte die Pistole aus ihrer Hand. Das Echo des Schusses klapperte wie die Schuhe eines Steptänzers die leere Straße hinunter. Sein Sprung warf die beiden Körper gegeneinander. Sein Arm krümmte sich wie eine Peitschenschnur und schob den bewaffneten Arm aus dem Weg. Gerade noch rechtzeitig, um ihren Kniestoß aufzufangen, riß er seine Knie zusammen. Zum Schutz gegen die Hand, die Ohr und Hals zerkratzten, konnte er nur sein Gesicht an die Seite ihres Kopfes drücken und sein Kinn an ihre Schulter pressen. Dann brachte seine Bewegung sie aus dem Gleichgewicht, und sie fielen auf die Pflastersteine der Verkehrsinsel. Sie waren in Sicherheit.
    „Unten bleiben!“ stieß er hastig hervor. Er schwang herum und schlug ihr die Pistole aus der Hand. Er fing sie auf, bevor sie auf dem Steinboden beschädigt werden konnte. Sie schluchzte eine zusammenhanglose Antwort, und noch einmal zogen ihre Fingernägel eine blutige Spur durch sein Gesicht. Er fiel nach hinten, konnte aber gerade noch rechtzeitig seine Schulter in ihre Magengrube stoßen, bevor sie sich wieder aufgerichtet hatte.
    „Bist du noch bei Trost?“ fluchte er heiser, als sie versuchte wegzurennen. Er warf seinen Arm nach oben, um ihre suchenden Finger von seinen Augen abzuwehren. „Jede Kanone in der Nachbarschaft wartet nur darauf, daß wir aufstehen und sie uns endlich kriegen kann.“
    „Oh!“ Sie hörte sofort auf, sich zu wehren. Diese unerwartete Bereitschaft, ihm zu glauben, überraschte ihn noch mehr als ihr erster Anblick. Als sie ihre Arme sinken ließ, rollte er weg und wischte sich das Blut aus seinem brennenden Gesicht.
    „Himmeldonnerwetter noch mal!“ keuchte er. „Was hast du denn von mir erwartet?“
    Sie wurde rot. „Ich …“
    „Sei nicht albern!“ unterbrach er sie barsch. „Hast du vielleicht eine Ahnung, wie viele Frauen dieser verdammte Virus, oder was es auch war, noch übriggelassen hat?“ Sie überraschte ihn erneut und zuckte vom Klang seiner Stimme zurück. Wie konnte sie nur so naiv und sensibel sein und trotzdem überleben? „Wenn man eine Frau vergewaltigt, verpatzt man sich irgendwie die Chancen für eine dauerhafte Bekanntschaft“, redete er in sanfterer Stimme weiter und war seltsam erfreut, ein leises Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen.
    „Da.“ Er warf ihr die Pistole in den Schoß. „Nachladen.“
    „Was?“ Sie starrte darauf herunter.
    „Nachladen, verdammt noch mal“, wiederholte er mit rauher Beharrlichkeit. „Da fehlt jetzt eine Patrone.“ Sie nahm die Waffe zögernd auf, klappte die Trommel aber heraus, als würde sie sich auskennen, und für den Augenblick war er zufrieden.
    Er zog seine Beine unter sich hoch und kauerte sich hin, drehte seinen Oberkörper hin und her und versuchte, den Heckenschützen ausfindig zu machen, den der Knall ihres Schusses ganz sicher herbeigelockt hatte. Eine Person war ein unsicheres Ziel, aber zwei Personen waren sicherlich für irgend jemanden der Aufmerksamkeit wert, und für die Sicherheit des Mädchens hatte er nicht genug Vertrauen in die Sehkraft dieses Unbekannten.
    Die Fenster der Vierzehnten Straße sahen leer herab. Aus einem unbekannten Grund schüttelte er sich leicht.
    „Siehst du jemanden?“ fragte das Mädchen leise. Sie überraschte ihn erneut, denn als Person hatte er sie vergessen, während er sie als weiteren Faktor zu dem Sicherheitsproblem zählte.
    Er schüttelte seinen Kopf. „Nein. Gerade das macht mir Sorgen. Jemand hätte aus Neugier aus dem Fenster sehen müssen. Wahrscheinlich hat das auch jemand getan –
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