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Einige werden überleben

Einige werden überleben

Titel: Einige werden überleben
Autoren: Algis Budrys
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hörte er eine Brandung. Er wußte, daß er sich später an diese Unterhaltung erinnern würde, und zwar genauer, als sie jetzt in sein Bewußtsein eindrang. Er wußte, daß er sich für sein jetziges Verhalten später bessere Alternativen überlegen würde. Im Augenblick aber mußte er Larry und sein Messer ständig beobachten. Er mußte die ganze Sache jetzt klarstellen, bevor sie ganz und gar unerträglich wurde.
    „Du kannst mir einfach nicht erzählen, daß irgend jemand, der sich noch frei bewegen kann, in absehbarer Zeit in Manhattan Gefahr läuft zu verhungern. Das dauert noch Jahre, bis die letzten Nahrungsmittel aufgebraucht sind.“
    „Das ist mir völlig gleich, wenn ich nicht rankomme. Ich muß nach meinen eigenen Vorstellungen planen.“ Larrys Blick wanderte zu dem Messer, das in der Nähe seines herunterbaumelnden Arms auf dem Boden neben der Sessellehne lag. „Du … du kannst danach jagen. Hör mal zu, weißt du, was die mit mir machen würden, wenn ich rausginge? Wenn die rauskriegen würden, daß ich Medizinstudent war? Weißt du, warum ich hier in der ganzen Nachbarschaft die Schilder aufgestellt habe? Für die Leute mit Schußverletzungen oder Blinddarmentzündungen oder vereiterten Zähnen bestimmt nicht. Sicher, kann sein, daß manche von denen verzweifelt genug sind und sich hier Hilfe holen wollen. Aber weißt du, wie ich den größten Teil meines Proteinbedarfs decke? Ich kriege es von den Leuten, die hier heraufkommen, weil sie mich umbringen wollen. Weißt du, warum? Weil wir sie angelogen haben. Die ganze Medizinerschaft hat sie angelogen. Sie hat ihnen erzählt, daß sie mit der Seuche fertig werden würde. Sie hat ihnen erzählt, daß all die Scharen von Medizinwissenschaftlern einfach irgendwie die Lösung finden müßten.
    Und was ist passiert? Kannst du dich noch an die letzten Tage der Seuche erinnern? Die Isolierungsbrigaden, die Straßensperren, die Maschinengewehre und Flammenwerfer um die Krankenhäuser herum? Natürlich haben wir ihnen erzählt, wir wollten nur die Labors vor dem Pöbel schützen, als wir die Krankenhäuser befestigten. Aber die wissen es besser. Die wissen genau, daß ihre Mütter und Frauen und Kinder gestorben sind, weil wir sie nicht reingelassen haben. Was kümmert sie eine Seuche, die die ganze Welt von einem Ende zum anderen in drei Tagen überschwemmt? Eine Seuche, der keiner entgeht. Eine Seuche, von der man Fieber und Delirium bekommt. Man kann in kein Mikroskop hineinsehen und kein Reagenzglas ruhig halten. Alles, was die sahen, war, daß die größten Leichenhaufen um die Erste-Hilfe-Stationen und die Forschungslaboratorien herumlagen. Ich war ja selbst dabei. Mit meiner Ausbildung konnte ich nicht viel helfen, und da haben sie mir eben eine Thompson-Maschinenpistole gegeben. Das war mein Beitrag, bis die Waffe unbrauchbar geworden war. Zu der Zeit hat sich niemand mehr groß darum gekümmert, daß ich nach Hause ging. War ja kaum noch jemand da, den es hätte kümmern können.
    Ich weiß, was die wollen, wenn sie hierherkommen. Sie wollen den verrückten Mediziner, der blöde genug ist, auch noch herumzuposaunen, daß er da ist. Sie kriegen ihn aber nicht. So komme ich zu meinem Protein. Weißt du, das alles ist Protein. Ich meine, du würdest doch keine Maus fressen oder einen Regenwurm, Matt, oder? Das ist aber alles Protein. Deinem Körper ist es egal, wo es herkommt. Der würde es nehmen und zum Überleben benutzen und dankbar dafür sein. Worauf es deinem Körper ankommt, ist doch nur, noch einen Tag zu leben.
    Aber in der letzten Zeit läuft es nicht mehr gut. Sie sind mir auf die Schliche gekommen in der Nachbarschaft. Da kommen nur noch Durchreisende. Ich muß mir bald was Neues überlegen.“
    Larrys Augen blitzten Matt an. „Du und ich, wir könnten es schaffen. Du kannst weggehen und Essen holen, und ich bleibe hier und passe auf, daß es sich niemand holt. Wie wäre das?“
    Matt Garvin ging einen Schritt auf die Tür zu.
    Larrys Hand bewegte sich wie zufällig auf das Messer zu. Er tat so, als bemerkte er selbst nicht, was seine Hand machte.
    „Bitte, Larry“, sagte Matt. „Ich will nur gehen.“
    „Hör mal, du kannst jetzt nicht gehen. Wir müssen Pläne machen. Du bist der einzige, dem ich vertrauen kann!“
    „Larry, ich will nur aus der Tür dort rausgehen. Ich und mein Schrotgewehr.“
    „Auf der Treppe werfe ich dir mein Messer in den Rücken. Ehrlich.“
    „Ich gehe rückwärts herunter.“
    „Das ist nicht so
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