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Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)

Titel: Einhorn, Phönix, Drache: Woher unsere Fabeltiere kommen (German Edition)
Autoren: Josef H. Reichholf
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grobe historische Eingrenzung dar. Der Druck kam von Osten und Norden. Die Völker des Nordens waren Germanen. Sie scheiden aus, weil es ja germanische Bevölkerungen gewesen waren, von denen die uns direkt überlieferten Drachengeschichten stammen. Also sollten wir bei den Völkern »des Ostens« ansetzen. Die Serben könnten ein Wegweiser dafür sein. Ihre Bezeichnung hängt mit Silber (serbisch srebro ) zusammen. Im weiter entfernten Vorderen Orient und in Nordindien gehören Silberschmiede, Goldschmiede und die Verarbeitung von Edelsteinen seit alten Zeiten zu den geschätzten Handwerksberufen. Im antiken Sagenschatz der Hellenen ging es um das Goldene Vlies aus der Landschaft Kolchis am Schwarzen Meer. Und in der Odyssee führt Homer einen Drachen an, so groß wie ein Schiff, der das wertvolle Stück bewacht. Es stammte von jenem mythischen Widder Chrysomeles (»Goldstück«), in den sich der Götterbote Hermes verwandelt hatte, um zwei von ihrer bösen Stiefmutter verfolgte Königskinder, die Zwillinge Phrixos und Hélle, nach Asien in Sicherheit zu bringen. Das Mädchen Hélle stürzte dabei ins Meer, als der sie tragende Widder von Europa nach Asien übersetzte. Hieraus leitet sich die Bezeichnung Hellespont für die dortige Meerenge ab. Der Knabe Phrixos, dessen Name eine bezeichnende Ähnlichkeit mit dem Goldsticker (lateinisch phrygio ) hat, kommt heil nach Kolchis (das in etwa dem heutigen Georgien entspricht), wo er gastlich empfangen wird. Zum Dank für die Rettung opfert er Zeus den »Goldstück«-Widder und schenkt dessen Fell, das Goldene Vlies, dem König. Dieser bewahrt es im heiligen Hain auf, der dem Gott Ares geweiht war. Ein großer Drache bewacht es, von dem es heißt, dass er niemals schläft. Im Klartext bedeutet das wohl, dass das Gold bzw. die Goldquelle rund um die Uhr abwechselnd von entsprechend gerüsteten Soldaten bewacht worden war und der König selbst keinen so rechten Zugriff dazu hatte. Denn er will Jason das Fell nur dann überlassen, wenn es ihm gelingt, den Drachen zu töten. Dazu verhilft ihm Medea, die zauberkundige Tochter des Königs, die sich heftig in den schönen Griechen Jason verliebte und ihm dann als Frau zurück nach Griechenland folgt.
    Tatsächlich bestätigten Funde im 19. Jahrhundert den besonderen Goldreichtum der Kolcher. Es gab Stoffe, die aus feinen Goldfäden gewirkt waren. Schaffelle, die in die Goldstaub führenden Flüsse gelegt wurden, hielten diesen Staub zurück, wenn oberhalb der Auswaschungsstelle der Feinsand aufgewirbelt und mit der Strömung über das Fell getragen wurde. Dem Geschichtsschreiber Strabon zufolge blühte die Kunst der Goldverarbeitung vor allem vom 6. bis zum 4. vorchristlichen Jahrhundert auf, also vor zweieinhalbtausend Jahren. Strabon selbst deutete die Fahrt der Argonauten als Raubzug nach Gold. Dass das Gold in den Bächen und Flüssen von irgendwo oben aus den Bergen kommen musste, war wohl auch damals schon den Goldsuchern klar. Das Wasser wies mit seinem Weg talwärts die richtige Richtung nach oben zu den Quellen des Goldes. Wie reich die Goldvorkommen in jenen Zeiten gewesen waren, belegt unter vielen anderen Funden insbesondere das Gold der Skythen, eines Reitervolkes aus den südrussischen Steppen. Die jüngsten Ausstellungen ihrer Goldschätze, die sicherlich nur einen winzigen Ausschnitt des tatsächlichen Bestandes darstellen, unterstreicht die Kunstfertigkeit, mit der damals das edelste der Metalle bereits verarbeitet wurde. So großartige Techniken entstehen nicht, wenn die Grundsubstanz nur äußerst selten zur Verfügung steht. Gold hatte bereits in der Antike hohen Wert. Die Goldquellen geheim zu halten war sicherlich genauso höchstes Gebot wie heute unter den Goldsuchern in Amazonien. Umso bezeichnender ist es, dass ein »Drache, so groß wie ein Schiff« (der damaligen Zeit selbstverständlich) das Goldene Vlies bewachte. Drachen können sich nur die entsprechend Mächtigen leisten, damals wie heute.
    Die Spur nach (Süd-)Osten sieht somit erfolgversprechend aus. Menschen, die das Handwerk der Gold- und Silberschmiede sowie das Schleifen und Fassen von Edelsteinen beherrschten, lebten und leben dort. In der Geschichte sind Goldschätze und Goldquellen niedergeschrieben. Die Alten Ägypter kannten die Goldländer im Süden: Nubien, das Königreich Saba im Süden der Arabischen Halbinsel und das legendäre Goldland Punt, das wohl noch tiefer in Afrika lag. Die Goldsuche hat also eine lange Tradition. Vieles
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