Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
Würze in den Salzstreuern. Er schmeckte; es war Zucker. Daraufhin sah er sich mit neu erwachtem Interesse im Restaurant um, ob es noch andere Spuren jenes eigenartigen künstlerischen Geschmacks gebe, der Salz in die Zuckerdose füllte und Zucker in den Salzstreuer. Abgesehen von einem seltsamen Flecken irgendeiner dunklen Flüssigkeit auf einer der weiß tapezierten Wände, sah der ganze Raum sauber, fröhlich und gewöhnlich aus. Er läutete nach dem Kellner.
    Als jener Dienstleister herbeieilte, wirrhaarig und zu dieser frühen Morgenstunde noch etwas triefäugig, bat ihn der Detektiv (der durchaus Verständnis für einfachere Formen des Humors hatte), er möge doch den Zucker probieren und feststellen, ob der dem hohen Rufe des Hauses gerecht werde. Als Resultat gähnte der Kellner plötzlich und wachte auf.
    »Treiben Sie diesen delikaten Scherz mit Ihren Kunden jeden Morgen?« fragte Valentin. »Wird Ihnen der Spaß, Zucker und Salz zu vertauschen, nie langweilig?«
    Der Kellner, als ihm diese Ironie deutlicher wurde, versicherte stammelnd, daß das Haus keinesfalls solcherlei Absichten hege; es müsse sich um einen höchst sonderbaren Fehlgriff handeln. Er nahm die Zuckerdose auf und blickte sie an; er nahm den Salzstreuer auf und blickte auch ihn an, wobei sein Gesicht immer verwirrter wurde. Schließlich entschuldigte er sich abrupt, eilte von dannen und kehrte nach wenigen Sekunden mit dem Inhaber wieder. Der Inhaber untersuchte ebenfalls die Zuckerdose und dann den Salzstreuer; der Inhaber sah ebenfalls verwirrt aus.
    Plötzlich schien dem Kellner ein Strom von Wörtern die Sprache zu verschlagen.
    »Ik denken«, stotterte er eifrig, »ik denken, es is die beiden Priesters.«
    »Welche beiden Priester?«
    »Die beiden Priesters«, sagte der Kellner, »die was Suppe an Wand schmeißen.«
    »Schmissen Suppe an die Wand?« wiederholte Valentin in der festen Überzeugung, hier handle es sich um eine italienische Metapher.
    »Ja, ja«, sagte der Aufwärter aufgeregt und wies auf den dunklen Fleck an der weißen Tapete; »schmeißen es da an Wand.«
    Valentin sah den Inhaber fragend an, der ihm mit ausführlicherem Bericht zu Hilfe kam.
    »Ja, Sir«, sagte er, »das stimmt schon, wenn ich mir auch nicht vorstellen kann, daß das etwas mit dem Zucker und dem Salz zu tun hat. Zwei Priester kamen herein und tranken sehr früh eine Suppe, wir hatten die Läden gerade ausgehängt. Es waren beide sehr ruhige, würdige Herren; einer von ihnen bezahlte die Rechnung und ging hinaus; der andere, der überhaupt in allem langsamer schien, hatte einige Minuten länger damit zu tun, sein Zeug zusammenzupacken. Aber schließlich ging er auch. Nur, in dem Augenblick, bevor er auf die Straße hinaustrat, nahm er mit Absicht seine Tasse, die er nur halb ausgetrunken hatte, und schmiß die Suppe klatsch an die Wand. Ich selbst war im Hinterzimmer, und der Kellner auch; so kam ich denn gerade noch rechtzeitig angerannt, um die Wand bespritzt und den Laden leer zu finden. Der Schaden ist ja nicht groß, aber es war doch eine verdammte Unverschämtheit; und ich versuchte, die Männer auf der Straße zu erwischen. Aber sie waren schon zu weit weg; ich konnte nur noch sehen, daß sie in die Carstairs Street einbogen.«
    Der Detektiv stand aufrecht, den Hut auf und den Spazierstock in der Hand. Er hatte bereits vorher entschieden, daß er angesichts der allgemeinen Dunkelheit in seinem Geiste nurmehr dem ersten sonderbaren Finger folgen konnte, der eine Richtung wies; und dieser Finger war sonderbar genug. Er bezahlte seine Rechnung, schlug klirrend die Glastüren hinter sich zu und bog bald darauf in jene andere Straße ein.
    Glücklicherweise blieb sein Blick selbst in solchen fieberischen Augenblicken kühl und quick. Irgend etwas in einer Schaufensterfront zog flüchtig wie ein Blitz an ihm vorbei; und er kehrte um, es anzuschauen. Es war ein gewöhnlicher Gemüse- und Obstladen, eine Warenauswahl war im Freien aufgestellt und mit Namen und Preisen ausgezeichnet. In den beiden auffälligsten Abteilungen gab es zwei Haufen, einen aus Orangen und einen aus Nüssen. Auf dem Haufen Nüsse lag ein Stück Karton, auf das in kühner blauer Kreideschrift geschrieben stand: »Beste Tanger Orangen, 2 für 1 Penny.« Auf den Orangen fand sich eine ebenso klare und eindeutige Beschreibung: »Feinste Paranüsse, 4 Pence pro Pfund.« Monsieur Valentin sah sich diese beiden Aufschriften an und hatte das Gefühl, als sei ihm diese höchst subtile
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher