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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren
Autoren: Fabio Volo
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erreichten sie viele Anfragen. Ich war froh. Ich hatte das Gefühl, etwas Schönes und Nützliches für jemanden getan zu haben. Für Sophie, die es verdient, und für die Menschen, die dorthin fahren, weil sie einen unvergesslichen Ort entdecken werden.
    Die E-Mail enthielt auch Fotos von Angelica. Sie ist jetzt etwas über zwei. Und sie ähnelt unheimlich dem Vater. Ob meine Tochter mir auch ähneln wird? Ich versuche mir Alice in verschiedenen Altern vorzustellen. Wenn ich sie das erste Mal sehe, wenn sie fünf ist, dann zwanzig, dann eine Frau. Ich hoffe, ich erlebe es noch, sie als Frau zu sehen.
    Mein Bild vom Alter ist seit Jahren unverändert. Ich sehe mich als alten Mann in einem Haus auf dem Land. Ich sehe den brennenden Kamin im Winter, sehe das Licht, das abends durch die Fenster in die Dunkelheit scheint. Ich sehe schöne bunte Decken aus zusammengenähten Stoffresten und Flicken, wie meine Oma eine hatte. Ich sehe mich im Frühling gärtnern und im Sommer durch die Felder laufen, wie ich früh aufstehe, um den Tag zu erleben.
    Auch wenn mein Alter vielleicht nicht so sein wird, genieße ich die Wärme, die diese Bilder in mir ausstrahlen. Ich wäre gern so ein altes, ein bisschen weise gewordenes Männlein, das für jeden stets ein gutes Wort hat. Ich habe Francesca davon erzählt. Sie fragte, ob sie in diesen Bildern auch vorkomme. Ob ich sie sähe. Da schloss ich die Augen und begann in dem imaginären Haus nach ihr zu suchen. Ich ging durch alle Zimmer meiner Phantasie, um nach ihr zu sehen, in manchen machte ich sogar Licht, um sicherzugehen. Während ich ihr beschrieb, was ich erlebte, fielen mir eine Menge Einzelheiten auf, aber von ihr war keine Spur in diesem Haus. Da ging ich in den Garten und suchte auch dort nach ihr, aber vergebens: von Francesca nichts zu sehen. Ich ging zu den Blumen, und gerade als ich eine pflücken wollte, bemerkte ich, dass ich nur eine Hand frei hatte – an der anderen hielt ich sie. Francesca meinte, ich solle mich zum Teufel scheren.
    Ich kann es nicht erwarten, das Motorgeräusch von Alices Wagen auf dem Kies vor dem Haus zu hören, wenn sie uns besuchen kommt. Hoffentlich schafft sie die Führerscheinprüfung beim ersten Mal.
    Während ich noch meinen Gedanken nachhänge, kommt die Hebamme aus der Tür zum Kreißsaal, und teilt mir mit, dass Alice geboren ist und dass ich, wenn ich wolle, mitkommen und sie baden könne. Das sagt sie wie etwas völlig Alltägliches. Verdammt, darauf bin ich nicht vorbereitet! Mein Herz beginnt zu rasen. Ich trete in den Saal, und da liegt sie. Da liegt Alice. Ein lebendiger Tropfen Liebe. Ein Ozean ohne Gestade. Wer in diesem stillen Augenblick auf den Grund meiner Augen schauen würde, der würde sehen, dass meine Seele zittert.
    Es ist schwierig zu sagen, was ich empfinde, denn ehrlich gesagt kapiere ich jetzt gar nichts mehr. Das Einzige, was ich sagen kann, ist, dass ich in ihr etwas von mir sehe, etwas, was zu mir gehört, was ich wiedererkenne. Sie hat etwas Vertrautes an sich. Und ich finde sie unheimlich sympathisch. Sie ist das »für immer«, das ich nie habe aussprechen oder denken können. Die Hebamme fragt, ob ich sie anziehen wolle.
    »Nein, machen Sie das, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
    Als sie fertig ist, legt sie sie mir in den Arm. Unendliche Freude. Eine so mächtige Droge gibt es nicht zu kaufen. Die Erde verlangsamt ihren Lauf, bis sie sich mindestens eine Minute lang nicht mehr um sich selbst dreht, dann seufzt sie kurz auf und beginnt von neuem.
    Wir gehen zu Francesca, deren Gesicht so von der Erschöpfung gezeichnet ist, dass es wunderschön aussieht. Ich bleibe bei ihnen und beschnüffele sie, solange man mich lässt.
    Viele Leute kamen vorbei und wollten Alice sehen. Viele lachten, viele weinten. Mein Vater war nun Großvater, und als er Alice sah, war er gerührt. Meine Schwester weinte, desgleichen Mariella, während Giuseppe uns beglückwünschte und sich schon darauf freute, dass die Kleine bald mit Angelica spielen würde. Federicos Eltern hatten beschlossen, ein paar Monate auf den Kapverden zu verbringen, um bei ihrer Enkelin zu sein. Sophie hatte für sie ein Haus gemietet. Auch mich und Francesca hatte sie eingeladen, und sobald wir konnten, würden wir hinfahren.
    Fürs Erste hatte ich ihr einen Brief geschrieben. Francesca half mir dabei, ihn ins Französische zu übersetzen. Ich habe ein Foto von Alice beigelegt.
    Auch Herr Valerio, der Buchhändler, kam vorbei. Er sah von
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