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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren
Autoren: Fabio Volo
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unser Gleichgewicht gefunden, und es hilft, unsere Beziehung zu schützen. Manchmal schlafe ich bei ihr, manchmal schläft sie bei mir. Praktisch schlafen wir immer bei uns.
    Ich will nicht behaupten, dass es unbedingt ein Fehler sein muss zusammenzuwohnen, aber für uns beide ist das nichts. Jedes Paar muss seine eigene Balance finden, seinen Idealzustand. Unserer sieht nun mal so aus. Wir sind von vornherein davon ausgegangen, dass wir für uns eine neue Art des Zusammenlebens finden müssten, denn was uns die Generation unserer Eltern vorgelebt hatte, passte nicht.
    Wir lieben uns, aber manchmal möchte trotzdem einer allein sein. Und den anderen auch nicht um sich herum haben. Nicht, dass ich dann komische Sachen mache, ich brauche das Alleinsein nicht für irgendwelche Überschreitungen. Ich bin einfach nur gern allein mit mir. Und bei ihr ist es genauso. Ich habe das Glück, in Francesca einen Menschen gefunden zu haben, der das versteht. Ja, wenn ich ehrlich sein soll, hat sie mehr auf diese Lösung gedrängt als ich.
    Ich erinnere mich zum Beispiel, dass ich Francesca eines Abends anrief und sie fragte, ob sie allein sein wolle. Sie sagte nein, und ich fuhr zu ihr, um bei ihr zu übernachten. Wie wunderbar, dass wir diese Gefühle immer wieder erleben. In der Vergangenheit habe ich durchaus versucht, diese Freiheit zu erreichen, doch jedes Mal, wenn ich eine Zeit für mich erbat, liefen auf einmal komische Dynamiken ab. »Was ist, liebst du mich nicht mehr? Hat sich was geändert? Habe ich etwas falsch gemacht? Wenn du genervt bist, sag’s ruhig, kein Problem…« Und auch wenn sie nichts sagten, war da doch etwas Unsichtbares, das eine Weile mitschwang. Als hätte ich einen Bonus verspielt. Als müsste ich danach schön artig sein, um die Sache wiedergutzumachen.
    Sowohl ich als auch Francesca haben zu Hause einen Festnetzanschluss. Ich bin der Einzige, der ihre Nummer hat, sie ist die Einzige, die meine Nummer hat. Wenn wir unsere Ruhe haben möchten, schalten wir das Handy aus, und im Notfall kann man dann zu Hause anrufen. Ach nein, mein Vater und meine Schwester haben meine Nummer auch, aber sie wissen, dass sie mich wirklich nur anrufen dürfen, wenn es unumgänglich ist. Francesca hat ihre Nummer den Eltern nicht gegeben. Trotzdem ist das Verhältnis zu ihnen ein anderes geworden, seit Francesca sich gewandelt hat und viele Mechanismen, die in ihrer Familie ablaufen, versteht; die Ursache für die Verbesserung ihrer Beziehung ist Francesca selbst, da sie nicht mehr von der Zustimmung ihrer Eltern abhängig ist. Sie streitet sich nicht mehr mit ihnen, seit sie ihrem eigenen Urteil vertraut.
    Eines Abends, als wir uns über ihre Familie unterhielten, fragte sie mich: »Hörst du die Musik?«
    Ich hörte keine Musik.
    »In diesem Zimmer ist keine Musik«, antwortete ich.
    »Oh, es ist voller Musik, aber um sie zu hören, braucht man Hilfsmittel. Hättest du ein Radio oder einen Receiver, dann könntest du die Musik in diesen vier Wänden einfangen. All diese Musik.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Das ist das Problem, das ich immer mit meiner Familie hatte. Ich dachte, sie müssten doch die Musik hören, dabei fehlten ihnen die Geräte dafür. Aber anstatt das einzusehen, habe ich nur die Lautstärke immer mehr aufgedreht, was völlig sinnlos war…«
    Sie stand auf, schaltete mein altes Radio ein und drehte an der Senderwahl.
    »Hörst du, wie viel Musik?«
    Diese Metapher gefiel mir so sehr, dass ich sie mehrmals gegenüber anderen Leuten anbrachte. Wenn ich zum Beispiel im Gespräch mit irgendjemandem erwähnte, dass Francesca und ich ein Kind erwarteten, aber jeder seine eigene Wohnung habe, dann konnten das viele nicht verstehen. In ihren Augen ist unsere Liebe weniger tief als die eigene. Die Tatsache, dass wir nicht alles bis ins Letzte teilen wollten, dass wir etwas nur für uns allein behalten wollten, entwertete in ihren Augen unsere Gefühle füreinander. Wir beide teilen alles, was wir gemeinsam haben und was wir teilen wollen, alles andere eben nicht. Wenn einer etwas anders machen will, ist das in Ordnung; aber keiner übt Druck auf den anderen aus. Nur weil eine Familie unter einem Dach lebt, heißt das noch lange nicht, dass sie auch vereint ist. Früher habe ich immer wieder Dinge getan, die ich nicht wollte, oder ich habe die Frau, mit der ich zusammen war, dazu verleitet. Oder die Frau tat etwas nur, um mir zu gefallen. Im schlimmsten Fall versuchte einer sich in die
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