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Einfach hin und weg

Einfach hin und weg

Titel: Einfach hin und weg
Autoren: Gerhard Jansen
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los. Ich fühle mich richtig gut und bin prima auf den Beinen. Nichts mehr zu spüren von den Blasen, ich wandele wie auf Wolken. In Triacastela machen wir Pause. Ich kaufe in einem Supermarkt ein paar Lebensmittel ein und sehe zum ersten Mal Henri. Den Namen bekam er erst später.
    Henri ist ein einfacher, nein, er ist kein einfacher Besenstiel!
    Mit weißem Plastik überzogen und mit bunten Blümchen bedruckt ist er das perfekte Gegenstück zu Henriette. Ein rotes Band durch seine Schlaufe am oberen Ende gibt ihm noch den nötigen „Touch“. Einen Besenstiel als Gehwerkzeug auf dem Camino hatte ich bisher noch nicht gesehen. Sollen die hoch technisierten Folterwerkzeuge in Form von Nordic-Walking-Stöcken rot vor Neid werden: ich hatte Henri. Einen Tag später hatte Alice ihn mir abgeknöpft und bis auf Ausnahmen bis zum Schluss in Finisterre behalten.
    Zwei Wege führen von Triacastela nach Sarria. Die weitere, aber landschaftlich nicht so schöne Strecke geht über das Kloster Samos in zwei Etappen, die andere über die Berghöhen mit wunderbarer Aussicht. Alice möchte nach Samos, ich möchte über die Berge. Vielleicht sehen wir uns irgendwo wieder.
    Der Weg führt durch dunkle Eichenwälder, kleine Dörfer mit einer Handvoll Bauernhöfen, halb verlassen und armselig. Ich begegne ausschließlich alten Menschen, nie habe ich ein Kind gesehen. Landflucht auf Spanisch. Dabei ist die Gegend so schön. Männer und Frauen treiben ihren Besitz, eine Handvoll Schafe und Kühe, auf die fetten Wiesen und hüten sie in der prallen Sonne, immer zu einem kleinen Schwatz bereit.
    Eine hoch betagte Frau steht vor ihrem verfallenen Haus und bietet mir Pfannkuchen an, beide Hände voll beladen mit einem Riesenteller und einem Zuckerstreuer.
    Selbst gemachte Pfannkuchen, noch warm!
    Natürlich bittet sie um etwas Geld, das ich ihr auch bereitwillig gebe. Eigentlich habe ich keinen Hunger, esse aber trotzdem zwei. Wir strahlen beide vor Zufriedenheit.
    Im nächsten Dorf gibt es ein Schälchen frische Himbeeren, natürlich auch gegen eine Spende. Kommerz? Keineswegs! Ich nenne das Völkerverständigung auf dem Pilgerpfad.
    Hinter Calvor sehe ich bei strahlendem Sonnenschein und 15° den ersten Pirol in meinem Leben. 60 Jahre musste ich darauf warten. Ein Marder oder Iltis, braun, mit weißem Bauch und dickem Hintern kreuzt meinen Weg.
    Und dann sehe ich das erste Rotkehlchen, sogar ein Pärchen, das immer wieder vor mir herfliegt, dann auf mich wartet und mit einem unüberhörbaren Piepsen auf sich aufmerksam macht. Ich höre es und habe Schmetterlinge im Bauch. Und das alles in einer Landschaft wie aus dem Bilderbuch..
    Es ist einfach nur schön auf der Welt, und ich muss mir die restlichen Kilometer sorgsam einteilen, damit ich dieses Gefühl noch lange genießen kann.
    In 6 Tagen, am 21. Juni, möchte ich in Santiago sein. Lass Dir Zeit, Gerhard Jansen!
    In Sarria gehe ich in die erste Herberge, die ich finde. Andere marschieren bis zu einer Art Kultherberge. Aber wo ich mich einquartiere, herrscht wenig Betrieb und sie ist in Ordnung. Kein Problem mehr, ein Bett zu bekommen. Der Riesenandrang ist abgeebbt. In Sarria werden noch einmal ein paar neue Leute hinzukommen, denn der Ort ist 110 km von Santiago entfernt. Genügend Kilometer, um am Ziel als Pilger anerkannt zu werden, wenn man sie zu Fuß zurücklegt.
    Mensch geht es mir gut!
     

16.06.2007 Sarria  - Barbadelo - Morgade
     
    In Navarra und Rioja hatte man mich schon gewarnt. Der Regen kommt bestimmt, spätestens in Galicien. Niemals hatte ich damit gerechnet, dass zu dieser Jahreszeit in Nordspanien Temperaturen von nur 10° und weniger an der Tagesordnung sind. Jetzt erfahre ich leibhaftig, dass es tatsächlich so ist.
    Zum Beispiel heute morgen. Es regnet wie aus Eimern und der Sturm rüttelt am Haus. Um 7 Uhr werde ich wach und ziehe die Decke wieder über den Kopf. Nur noch ein paar Minüüütchen. Ich schlafe tatsächlich erneut für eine Stunde ein. Dann klart es zwar auf, aber auf der Strecke nach Morgade werde ich ein paar Mal richtig nass. Dabei sind es nur 13 Kilometer. Ursprünglich wollte ich ganz gemütlich noch ein Stückchen weiter, aber dann hatte ich die Faxen dicke.
    Ja, ja, was ist die erste Pilgerpflicht? Man soll die Dinge auf dem Camino sehen wie sie sind und auch akzeptieren. Das tu ich, aber es gibt Dinge, die selbst den stärksten Pilger umhauen. Ein paar Mal nass bis auf die Haut, dazu ein kalter bissiger Wind, natürlich von vorne. Da
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