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Einfach hin und weg

Einfach hin und weg

Titel: Einfach hin und weg
Autoren: Gerhard Jansen
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darf man auch einmal richtig Luft ablassen und schimpfen. Da muss auch Jakob Verständnis haben. Andere Pilger sind härter und trotzen Wind und Wetter. Ich nicht! Oder nur bedingt!
    Kurz vor Ferreiros finde ich in einem kleinen Kaff mit 3 Häusern namens Morgade eine wunderschöne Herberge. Ein altes Bauernhaus aus dem Jahr 1720, umgebaut und wohl gerade erst eröffnet, denn sie ist in keinem Reiseführer erwähnt.
    Es ist noch früh am Tag und ich bekomme ein Dachzimmer mit dicken Deckenbalken aus Eiche mit nur zwei Betten, ganz alleine für mich. Für zwei Betten zahle ich gerne € 16.-.
    Die 60 cm dicken Steinmauern sind noch von den Sonnenstrahlen der vergangenen Tage aufgeheizt und geben eine behagliche Wärme ab.
    Der Blick aus dem kleinen Fenster fällt auf die Mini-Dorfkirche neben der Wiese gegenüber. Traumhaft schön. Die beste Herberge auf dem Jakobsweg. Ich verleihe ihr im ausgelegten Gästebuch 5 Sterne.
    Nachdem ich mich im Zimmer breit gemacht habe, gehe ich in den Schankraum und bestelle ein Bier. Da kommt doch tatsächlich die Ali-Lady aus Irland durch die Türe. Welch eine Überraschung und Freude. Wir essen gemeinsam zu Abend, ein vorzügliches Pilgermenu und köpfen eine Flasche Wein. Wir unterhalten uns sehr lange und stellen fest, was wir eigentlich schon lange wissen: wir passen prima zusammen. Dabei könnte der Unterschied größer nicht sein. Ich bin satte 60, sie zarte 27. Ich arbeite nur noch zeitweise, sie arbeitet bei einer irischen Behörde in Dublin und studiert Jura und Sozialwissenschaften. Sie raucht wie ein Schlot. Trinkt gerne ein paar Bier. Ich halte mich bei beidem zurück. Sie ist verschlossen und reserviert Fremdem gegenüber. Ich bin eher spontan und kontaktfreudig. Aber irgendwie ist sie mir in der Zeit bisher eine liebe Freundin geworden, mit der ich gerne zusammen bin. Sie ist ein kluges Geschöpf mit guten Ansichten und Ideen, sozial äußerst engagiert und weiß genau was sie will. Ich bin sicher, dass sie ihr gestecktes Ziel, als Rechtsanwältin für soziale Minderheiten tätig zu werden, irgendwann einmal erreichen wird. Mir gegenüber ist sie sehr offen und erzählt über ihr Privatleben und ihre Familie.
    Ali, auch eine der Perlen am Himmel des Camino. Sie hat keinen Wanderstock und ich überlasse ihr Henri gerne.
    Spät in der Nacht weiter Regen, Regen, Regen.
    Macht nichts, ich werde in Santiago ankommen!
     

17.06.2007 Morgade – Ferreiros – Hospital da Cruz
     
    Kurz hinter Morgade heute morgen die erste zweistellige Kilometerzahl: 99 km bis Santiago de Compostela. Ich muss mich zusammenreißen, um nicht den Rückwärtsgang einzulegen. Über 700 km auf dem Camino zurückgelegt. Ein schönes, aber gleichzeitig wehmütiges Gefühl beschleicht mich. Es geht dem Ende zu. Gerade noch einmal 5 Tage.
    Wieder ist das Wetter wie gestern. Sonne, Regen, Wolkenbruch. In regelmäßigen Abständen. Kaum sind die Kleider ein wenig trocken, werden sie schon wieder nass. Das Regencape habe ich endgültig ausrangiert. Es hilft und nutzt nichts.
    Nach 20 km habe ich genug. Die Klamotten von gestern sind noch feucht im Rucksack. Ich habe keinen trockenen Faden am Leib.
    Soll ich mich in eine Herberge zwängen, in der 50 - 80 Pilger ihre triefenden Hemden und Hosen über die Betten hängen? Heute nicht.
    Am Dorfeingang von Hospital de Cruz steuere ich eine Privatpension an und miete mir ein Zimmer ganz alleine für mich. Ich muss im Voraus zahlen und warte erst einmal eine geschlagene Stunde auf heißes Wasser. Im Zimmer ist es eiskalt, und ich bekomme auf meine Bitte noch 2 Zusatzdecken.
    Im Restaurant begegne ich Pedro, einem durchgeknallten Spanier, der auf dem Camino lebt. Er schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, fertigt aus kleinen Steinen und Silberdraht Anhänger, die er noch mit einem gelben Pfeil bemalt. Gegen eine generöse Spende gibt er sie an Pilger ab. Eigentlich hübsche und originelle Schmuckstücke.
    Als er Henriette sieht, ist er begeistert, zumal auch er einen Wanderstab besitzt, der in etwa so aussieht wie sie, ihr aber letztendlich nicht das Wasser reichen kann. Trotzdem bindet er ihr eines seiner Werke um und winkt auf meine Frage nach Bezahlung großzügig ab. Ich bezahle in Form von ein paar Gläsern Wein, esse zu Abend und gehe dann ins Bett.
    Ich friere wie ein Schneider, bibbere am ganzen Körper und klappere mit den Zähnen vor Kälte. Ich fühle mich furchtbar alleine, habe wirklich den Blues und sehne mich nach meinen Freunden, die ich auf
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