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Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Titel: Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)
Autoren: Lew Tolstoi , Stephanie Gleißner
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dann noch, als es sich verzerrt hatte und ich aufhören wollte zu lachen, denn ich sah ja, dass es Schmerz war. Doch ich konnte nicht aufhören, zu lachen, immerzu dachte ich: Ihr Hintern leuchtete rot im Licht der Lavalampe.

23.
    Karl Rieder erwartete uns mit kahlgeschorenem Schädel am Bahngleis. Wir waren die einzigen Ankommenden, er der einzige Wartende. Alles vollzog sich in Schweigen. Er ging voran, wir folgten. Wir zögerten nicht einen Moment. Manchmal drehte er sich nach uns um, er hatte graue Schatten unter den Augen. Von hinten sah er Johanna jetzt zum Verwechseln ähnlich.
    Wir standen etwas abseits, auf der anderen Straßenseite, wo Karl Rieder seine Zündapp geparkt hatte. Die Pension Malinowski verbrennt hinter undurchsichtigen Rauchschwaden, wir atmen sie ein, wir spüren ihre Hitze, sie brennt in unseren Augen, juckt auf unserer Haut. Kleine aufgeregte Menschen wimmeln auf der Straße. Eine Gruppe Männer stürzt über den Bürgersteig zu Frau Malinowski, die zusammengesunken auf dem Bordstein sitzt, ihr Kimono schimmert in der milchigen Rußluft verheißungsvoll wie ein Haufen zusammengeknülltes protziges Geschenkpapier. Die Männer haben ihre Bademäntel noch immer nicht geschlossen, sie blähen sich hinter ihnen im Föhnwind, ihre Genitalien klatschen zwischen ihren Schenkeln hin und her. Sie laufen, so schnell sie können, und sinken dann neben und vor Frau Malinowski auf die Knie. Sie versuchen alle gleichzeitig, ihr den Arm um die Schultern zulegen, sie sind sehr unbeholfen und voll Zärtlichkeit. Hinter ihrem Rücken auf dem Parkplatz werden geräuschvoll Autos gestartet. Sie blockieren sich an der Ausfahrt gegenseitig, für Großzügigkeiten ist jetzt keine Zeit, sie müssen aufbrechen gen Süden, jetzt! Eine Gruppe Frauen bricht in die entgegengesetzte Richtung auf. Doch kann von Aufbruch hier nicht die Rede sein, es ist ein Rückzug, ein Rückzug ins Hinterland. Im Rückzug der Frauen stecken dieselbe Dringlichkeit und Leidenschaft wie im Aufbruch der Männer. Sie sind schlampig angezogen: die Blusen nicht richtig geknöpft, T-Shirts verkehrt herum, die Reißverschlüsse an den Röcken verrutscht, die Gürtel offen, ihre Haare zerzaust, sie sind barfuß und machen große Schritte, sie bemühen sich, nicht zu laufen. Doch eine hält sich nicht daran und läuft los. Es ist Frau Luger im hautfarbenen Lurexunterkleid. Jetzt laufen auch die anderen, ihr hinterher, sie führt die Gruppe zurück ins Hinterland. Als die Polizei kommt, sind sie schon über alle Berge. Nur die Getreuen im Bademantel knien noch immer um Frau Malinowski. Sie sind entschlossen, den Ort ihres Glücks nicht zu verraten und hierzubleiben, bis er in Schutt und Asche liegt.
    Johanna und Karl Rieder hielten sich an den Händen. Wie die unschuldigen Waisen in Märchenbüchern schauten sie auf das Gewusel der kleinen Menschen. Krankenwagen, die nicht gebraucht wurden,trafen ein, dann auch die Polizei, von der Feuerwehr noch immer keine Spur. Die Polizisten mischten sich in die Gruppe der knienden Bademantelmänner, sie sprachen geschäftig in ihre Funkgeräte, während die Bademantelmänner aufstanden, ihre Hälse verdrehten und herumschauten, als suchten sie etwas. Als sie es fanden, zeigten sie mit dem Finger darauf. Die Polizisten überquerten die Straße. Sie redeten freundlich auf Karl Rieder ein, einer hatte Handschellen in der Hand, der andere sagte, das sei nicht nötig. Karl Rieder wollte nicht weglaufen, er wollte nur Johannas Hand nicht loslassen. Johanna erklärte, sie wolle mitkommen. Der Polizist war immer noch freundlich, das gehe nicht, sagte er, sie müssten Karl Rieder jetzt erst einmal mit aufs Revier nehmen und verhören. Karl Rieder wurde in einem Polizeiauto abtransportiert, wir in einem anderen nach Hause gebracht. Feuerwehr kam uns entgegen.
    »Die sind ja auch früh dran«, sagte der Polizist.
    Seine Kollegin entgegnete: »Jedes Jahr dasselbe, total ausgelastet in der Johannisnacht.«
    Zuerst lieferten sie Johanna ab. Ich wartete mit der Polizistin im Auto. Es dauerte. Ich fragte mich, ob Johanna die Lüge mit Katharinas Geburtsfeier beibehalten oder ob sie, danach gefragt, alles erzählen würde. Als sie mich zu Hause ablieferten, sagte der Polizist zu meiner Mutter: »Wenn wir noch was brauchen oder wir sie tatsächlich verhören müssen,dann melden wir uns, aber soweit ich das sehe, wird das nicht nötig sein, der Fall ist so weit klar.«
    Als die Polizisten weg waren, kam mein Vater aus der Küche
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