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Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)

Titel: Einen solchen Himmel im Kopf: Roman (German Edition)
Autoren: Lew Tolstoi , Stephanie Gleißner
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nach, »du willst dich unterhalten, weißt aber nicht, worüber. Weißt du, wenn man etwas will, dann weiß man in der Regel auch, was man will.« In seinem Gesicht arbeitete es, er versuchte, das Gesagte zu übersetzen, die Feindseligkeit dahinter zu verstehen. Er sah dabei so hilflos aus, dass ich für einen Moment glaubte, er sei noch viele Jahre jünger als wir. Ich hasste Johanna sehr. Mit süßlicher Stimme fügte sie hinzu: »Vielleicht willst du dich ja gar nicht unterhalten und hast deswegen auch keine Ahnung, worüber. Na, was denkst du? Das ist doch naheliegend?«
    Sie stand auf, setzte sich auf den freien Platz neben ihn. Er drehte sich ängstlich zu ihr um, sie packtemit beiden Händen seinen Kopf und wühlte sich mit der Zunge durch seine Lippen in seinen Mund. Ich starrte sie an, hörte die Schmatzgeräusche, konnte meinen Blick nicht abwenden. Ein Programm war angesprungen, es ließ sich nicht mehr aufhalten.
    Jonas zerlegte eine Zigarette, schabte den Tabak aus, kokelte mit einem Feuerzeug den Haschklumpen an, zerbröselte ihn, mischte Gras und Tabak, befeuchtete die Zigarettenpapierchen, arrangierte, drückte, drehte. Ich beobachtete die Vielzahl kleiner Bewegungen. Es beruhigte mich, ihm zuzuschauen, es hatte etwas Heimeliges, es war friedlich, jemand machte etwas für einen. Johanna saß schweigend neben Jonas auf der Matratze und schaute in die Lavalampe; für einen kurzen Moment war das Rote am Boden eine stille, gesättigte Einheit, dann rumorte es wieder, etwas geriet in Bewegung, eine Blase formierte sich, schwoll an, wurde abgestoßen, stieg nach oben.
    »Hey, langsam, langsam! Du gehst ja ganz schön ran«, er war nicht mehr angespannt, das Gras hatte ihn locker gemacht, er tat mir jetzt auch nicht mehr leid, er lachte dümmlich. »Deine Freundin ist doch da.«
    Johanna hatte sich auf seinen Schoß gesetzt, er hatte sich nach hinten auf die Matratze fallen lassen, sie machte sich an seinem Gürtel zu schaffen.
    »Die Annemut, die stört sich an so was nicht«, sie drehte sich zu mir um, »stimmt’s, Annemut?«
    Ich saß da, vor mir die Lavalampe, das Gras wirkte jetzt unerwartet heftig. Ich betrachtete die beiden als eine bewegliche Skulptur. Ich hatte Angst, sie könnten sich von der Matratze losreißen und mich angreifen. Sie waren eine unmittelbare Bedrohung, die ich nicht aus den Augen lassen durfte, in einer Art Schockstarre fixierte ich sie, unfähig, mich zu bewegen oder etwas zu sagen. »Hey, Annemut«, rief Jonas mir zu, »noch kannst du mit einsteigen.«
    Noch lachte er. Eine Zeitlang bäumte er sich auf und versuchte, Johanna zu küssen, sie wollte das aber nicht und drückte ihn zurück auf die Matratze. Er sagte auch viele nette Sachen zu ihr, doch auch die wollte sie nicht hören.
    »Hör auf zu reden«, fuhr sie ihn an.
    Es kostete sie viel Mühe, seine Jeans herunterzuziehen, er war ihr nicht behilflich dabei, er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und versuchte erneut, sie zu küssen, sie entriss sich ihm.
    »Mach mal langsam, wir haben doch Zeit«, sagte er sanft.
    Da rastete Johanna aus.
    »Halt’s Maul«, schrie sie ihn an, »willst du jetzt ficken oder labern?«
    Für einen Moment stand die Skulptur still. In der Lavalampe löste sich eine neue Blase, ich wunderte mich, warum es nicht plupp machte, warum sich die Blasen so lautlos lösten.
    »Okay, wenn du’s so willst.«
    Als er den Schalter umgelegt hatte, ging alles sehr schnell. Er riss ihr die Jeans samt Unterhose herunter, auch das T-Shirt, er machte sich nicht die Mühe, den BH zu enthaken, er zerrte an den Trägern. Ich sah Johannas nackten Hintern und dachte an die Gebäckstücke in der Auslage der Bäckerei Grant, darunter stand, wahnwitzig steif und mager, ein Paar behaarter Beine hervor, das Ganze rot getüncht vom Lavalicht.
    Ich sprach für mich den Satz: »Und ihr Hintern leuchtete rot im Licht der Lavalampe.« Es war das Lustigste, was ich jemals gehört hatte, ich kicherte, aus dem Kichern wurde Lachen. Es stand im Wettstreit mit Jonas’ Keuchen, das sich in ein Grunzen steigerte und schließlich, als es ein paar Sekunden ganz ausgesetzt hatte und nur ein schwaches Hecheln zu hören gewesen war, in einem erstaunten Schrei kulminierte. Johanna hatte die ganze Zeit kein Geräusch gemacht. Bevor sie das Gleichgewicht verloren hatte und, von seinem Beben angesteckt, vornüber auf seinen Oberkörper gefallen war, hatte sie mich angeschaut. Auch ihr Gesicht hatte rot geglüht im Schein der Lampe, auch
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