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Einem Tag mit dir

Einem Tag mit dir

Titel: Einem Tag mit dir
Autoren: S Jio
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halb zehn?«
    »Perfekt. Ich kann’s kaum erwarten.«
    Am Abend saß ich auf dem Balkon und sah zu, wie die Wellen sanft an den Strand rollten. Der zunehmende Mond spiegelte sich auf der gekräuselten Wasseroberfläche. Jennifers Handy klingelte in ihrer Handtasche. »Liebes«, rief ich, »dein Handy!«
    Sie kam in einem grünen Schlafanzug auf den Balkon und kramte in ihrer Tasche. »Ist ja ein Ding«, murmelte sie vor sich hin. »Ich hätte nie gedacht, dass ich hier Empfang haben würde.«
    Sie nahm das Gespräch an. »Hallo?« Ich hörte mit halbem Ohr zu. »Das ist nicht dein Ernst«, sagte sie. Eine ganze Weile stand sie da und lauschte. »Ach.« Irgendetwas schien sie zu irritieren. Doch dann lächelte sie. »Danke. Vielen, vielen Dank. Ich melde mich, sobald ich wieder in Seattle bin.«
    Jennifer beendete das Gespräch und setzte sich in den Korbsessel neben mir. »Das war die Frau aus dem Archiv«, sagte sie. »Sie haben ihn gefunden. Den Künstler, meine ich.«
    Ich blinzelte und musste an die Frage denken, die sie Genevieve gestellt hatte. Konnte es möglich sein? »Es ist doch nicht etwa …?« Wider besseres Wissen hatte ich mich von Jennifers Fantasie anstecken lassen.
    »Tut mir leid, Grandma«, sagte sie. »Es ist nicht Westry.«
    Ich nickte. »Natürlich nicht«, sagte ich und kam mir reichlich albern vor.
    Sie schaute in die Nacht hinaus. »Der Künstler ist vor vier Jahren gestorben«, sagte sie.
    »Das tut mir leid, Liebes.«
    »Ist nicht so schlimm.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Jedenfalls ist das Rätsel jetzt gelöst – na ja, immerhin teilweise. Jetzt, wo ich seinen Namen kenne, kann ich vielleicht mit seinen Angehörigen reden.«
    »Genau«, sagte ich. »Ich wünschte, wir hätten eine Flasche Sekt.«
    »Wozu?«
    »Na, zum Anstoßen!«
    Jennifer schaute mich verdutzt an.
    »Schließlich hast du endlich deinen Künstler gefunden!«
    Sie legte den Kopf an meine Schulter. »Und du wirst deinen auch finden«, sagte sie. »Ich habe das Gefühl, dass alles gut wird.«
    »Vielleicht«, sagte ich. Ich hoffte, dass sie nicht merkte, wie skeptisch ich war, denn mein Herz sagte mir, dass es zu spät war.
    Am nächsten Morgen trafen wir uns wie verabredet nach dem Frühstück mit Genevieve am Strand. »Guten Mor gen!«, sagte sie und kam lächelnd auf uns zu. Sie trug einen Rucksack und hatte ihre Locken unter einen Sonnenhut geschoben.
    »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie aufregend es für mich ist, der Lösung des Rätsels ein Stück näher zu kommen«, sagte sie, als wir uns auf den Weg machten.
    »Ich hoffe, dass ich Ihnen wirklich helfen kann«, erwiderte ich und wappnete mich für das, was vor mir lag. »Erzählen Sie mir, was Sie bisher über das Verbrechen wissen.«
    »Na ja«, sagte Genevieve und rückte ihren Rucksack zurecht. »Ich weiß eigentlich nur, was die Einheimischen wissen oder zu wissen glauben – nämlich dass der Mann, der den Mord begangen haben soll, mehrere Frauen auf der Insel geschwängert hat, darunter eine amerikanische Lazarettschwester.«
    Kitty .
    Ich nickte. »Ich habe sein Gesicht nicht erkannt«, sagte ich. »Dazu war es zu dunkel. Aber der Einzige, der es gewesen sein kann, ist ein gewisser Lance.«
    »Lance?«
    »Ja«, sagte ich. »Meine beste Freundin hatte damals ein Verhältnis mit ihm. Er hat sie in eine schreckliche Lage gebracht – sie war schwanger von ihm, und er hat sie sit zen lassen. Und er hat ständig einheimischen Frauen nach gestellt.«
    Genevieve blieb stehen und schaute mich an. »Wenn Sie das die ganze Zeit gewusst haben«, fragte sie, »warum haben Sie dann geschwiegen? Warum haben Sie den Mann nicht angezeigt?«
    Ich seufzte und hob entschuldigend die Hände. »Ich kann mir vorstellen, dass das schwer zu verstehen ist, aber es ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint.« Wir waren in der Nähe der Hütte angekommen. Ich zeigte auf ein Stück Treibholz am Strand. »Setzen wir uns eine Weile.«
    Wir setzten uns auf das vom Meerwasser glatt geschliffene Holz. »Dort«, sagte ich und zeigte auf eine Stelle hinter uns, »hat er ihr die Kehle durchgeschnitten. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
    Genevieve schlug sich die Hand vor den Mund.
    »Ich habe zwischen den Bäumen gewartet, bis er weg war, dann bin ich zu ihr gerannt. Ich habe sie in den Armen gehalten, als sie nach Luft rang.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich konnte nichts für sie tun. Sie lag im Sterben. Dann kam Westry. Ich dachte an das Morphium in meiner
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